Error icon

Keine Berechtigung! Sie werden zum Login weitergeleitet...

Tube Amp – FAQs

Text von: Roland Kraft

Die am häufigsten gestellte Frage in Bezug auf Röhrenverstärker betrifft das Ein- oder Ausschalten. Ist es bei der Transistorelektronik doch Usus, die Geräte durchlaufen zu lassen. Aus der Erfahrung heraus, dass es Stunden dauert, bis das volle klangliche Potenzial erreicht ist. Abgesehen von extrem stromfressenden Leistungsverstärkern – hier verbieten sowohl Umweltschutz-Prinzipien als auch die Stromrechnung den Dauerbetrieb – bleiben die High-End-Komponenten folglich stets am Netz. Die Konsequenz reicht dabei teilweise so weit, dass der Netzschalter gar nicht mehr auf der Frontplatte zu finden ist, sondern auf der Rückseite sitzt. Mir persönlich, das sei hier nicht verschwiegen, geht das Ganze ziemlich gegen den Strich. Denn letztlich summieren sich voll eingeschaltete oder auf Standby befindliche Stromverbraucher schon zu einem erklecklichen Faktor in der Gesamtbilanz. Und ein HiFi-Gerät, das mehr als eine Stunde benötigt, um sein volles Potenzial zu entfalten, hat meiner Meinung nach kein Temperaturverhalten, sondern ein Temperaturproblem.

Röhrenverstärker sind hier klar im Vorteil: Erfahrungsgemäß benötigen die Wärme verbreitenden Glaskolben plus ihre elektronische Umgebung nur vergleichsweise kurze Zeit, um zu voller Form aufzulaufen. Nach höchstens einer halben Stunde ist ein gebrauchter Verstärker mit bereits eingebranntem Röhrensatz für gewöhnlich voll „da“. Ausnahme: schachtelneue Amps, in deren Bauteilen Formierungseffekte stattfinden, und/oder brandneue Röhren. Außerdem handelt es sich bei Röhren um Verschleißteile mit endlicher Lebensdauer. Die Kathode respektive deren Beschichtung verliert mit der Zeit ihre Fähigkeit, Elektronen zu emittieren. Die Lebensdauer ist je nach Röhrentyp, Materialqualität, Vakuumgüte und Belastung nur schwer abzuschätzen; mies gefertigte Stücke gehen womöglich schon nach ein paar hundert Stunden über den Jordan, Superqualität gibt auch nach 10000 Stunden noch nicht auf. Und Endröhren leben natürlich längst nicht so lange wie beispielsweise die kleinen Doppeltrioden vom ECC-Typ. Mit anderen Worten: Wer seine Röhren permanent laufen lässt, bei dem tickt auch die Verschleiß- oder Verbrauchsuhr freudig mit, die Röhrenkosten pro Hörstunde steigen exorbitant, der Amp altert rasend schnell.

Ebenso nagt unmittelbar hintereinander erfolgendes Aus- und Einschalten am Lebensnerv der Röhren. Da die Elkos im Netzteil dann noch unter Spannung stehen, liegt die Anodenspannung sofort an, bevor die Heizfäden wieder glühen, was Röhren nicht gut leiden können. Deshalb lieber einige Minuten warten, bevor das Gerät – etwa nach einem Kabelwechsel – wieder angeschaltet wird. Außerdem vermeidet man so Stress für einige andere Bauteile. Apropos Netzteil: Falls eine Gleichrichterröhre beim ersten Einschalten innen Spannungsüberschläge sichtbar werden lässt, dann liegt ein klarer Fall von Überlas­tung vor – üblicherweise zu heftig dimensionierte Siebkapazitäten.

Logischerweise sind „heiße“ Röhren mechanisch empfindlicher als in kaltem Zustand. Schon gar nicht sollte ein im Betrieb befindlicher Verstärker deshalb bewegt oder verrutscht werden. Vibrationen und extreme Luftschalleinwirkungen stehen ebenfalls auf der Negativliste – natürlich geht es auch darum, Mikrofonieeffekte zu minimieren. Röhrenamps gehören deswegen nicht ins unmittelbare Schallfeld eines Lautsprechers, geschweige denn auf oder in die Nähe eines Subwoofers. Bei einem Röhrenwechsel bitte auch warten, bis der Kandidat – insbesondere große, direkt geheizte Endtrioden mit ihren langen Heizfäden – vollständig abgekühlt ist.

Apropos Heizung: Obwohl man es kaum zu glauben vermag, stellen einige Superspe­zialisten ihren (Röhren-)Verstärker in den Schrank, in niedrige Regale, auf fette Teppiche, neben Bücher- oder Papierstapel, bisweilen auch zum Schmutzansaugen auf den Boden. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass die Brandversicherung in zweifelhaften Fällen nicht zahlen wird, gehören Röhren sauber, trocken und mit möglicher Luftzirkulation positioniert. Die notwendige Kühlung holen sich die Glaskolben nämlich via Luftzug, weshalb Omas altes Küchenradio hinter seiner gelochten Rückplatte nach Jahrzehnten aussieht wie ein voller Staubsaugerbeutel. Eine Staubschicht auf offenen Röhren ist mithilfe eines Pinsels gut zu entfernen; wer zum Glasreiniger greift, wischt die Beschriftung der Röhre gleich mit ab. Freaks halten die Verstärker penibel sauber, bevor der Schmutz durch Chassisöffnungen nach innen kriecht.

Wie allgemein üblich, stecken Profis alle Kabel vor dem Einschalten. Und den Ton bitte auch erst dann aufdrehen oder auf „Play“ drücken, wenn alle Anschlüsse erledigt sind. Röhren-Endstufen dürfen schon mal für kurze Zeit – etwa zum Kabelwechsel – ohne Lautsprecherkabel eingeschaltet sein, aber dann wohlgemerkt niemals angesteuert werden. Mit anderen Worten: Nie ohne Last laufen lassen, also mit Signal versorgen, wenn gerade keine Lautsprecher angeschlossen sind!

Dass aus Sicherheitsgründen keine Gehäusedeckel entfernt werden sollten, ist sowieso klar: Im Inneren von Röhrenverstärkern liegen sehr hohe Spannungen an. Wer an die falsche Stelle greift, entschwebt ohne viel Federlesens zu seinen Vorfahren. „Finger weg!“ lautet die Regel. Tuning-Freaks sollten das beherzigen, außerdem die Röhrensockel nicht mit obskuren Kontaktmitteln behandeln. Falls es diesbezüglich Probleme gibt, gehört das Gerät ausschließlich in die Hände eines erfahrenen Elektronikers.

Sich an den Fachmann wenden sollte auch, wer Röhren tauschen, Ruheströme (mithilfe im Inneren versteckter Regler) einstellen oder – auch das kam schon vor – fest eingebaute Netzkabel ändern will. Regel Nummer zwei: Wer keine Ahnung hat, lässt die Finger vom Röhrenstöpseln. Wer keine Ahnung hat, ist übrigens auch nicht davor gefeit, für umgestempelte, gefälschte, obskure, bei Vollmond besprochene, verbrauchte oder für den Zweck völlig falsche Röhren Unsummen zu bezahlen. Seit schon unanständig viel Geld für bestimmte (HiFi-)Röhren über den Tisch geht, ist Betrug und dummes Geschwätz leider an der Tagesordnung. Und dummerweise herrscht heutzutage blankes Chaos in Bezug auf einstmals standardisierte und weltweit beachtete Röhrenbezeichnungen. Wo zum Beispiel 300B draufsteht, muss nicht un­bedingt 300B – sprich: eine Röhre, die die Daten der 300B präzise einhält – drin sein. In ungünstigen Fällen sind Geräteschäden geradezu vorprogrammiert, zumal manche als „Äquivalent“ verkaufte Gläser auch nicht pinkompatibel sind.

Wer sich über einen bestimmten Röhrentyp schlau machen will, der startet am besten über http://hereford.ampr.org/cgi-bin/tube. Hier steht eine schöne Röhrendaten-Suchfunktion zur Verfügung, ergänzt durch Links zu weiteren „tube search engines“. Rekordverdächtig gut ge­macht ist auch: www.tubedata.org – die interessante Page von Frank Philipse aus den Niederlanden. Auch die Beschaffung von Röhren inklusive Preisvergleich gelingt via Netz wohl am besten!