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Tube Technology Fusion HB70i

Text von: Michael Vrzal

Für alle, die das klangliche Know-how einer Röhrenmanufaktur schätzen, aber die eigenen, vermutlich nicht übermäßig wirkungsgradstarken Lautsprecher doch lieber in die Obhut von Transistoren geben: Der Tube Technology Fusion HB 70, ein schnörkelloser Hybrid-Vollverstärker aus Großbritannien

Es ist eine himmlische Qual der Wahl, die sich Ohrenmenschen antun: Transistor oder Röhre? Audiophil initiiert sind wohl die meis­ten von siliziumbestücktem HiFi-Gerät. Mal ganz von der Marktdominanz abgesehen, locken Transistorverstärker aber auch mit praktischen Details: breite Lautsprecherkompatibilität; kaum thermische Probleme; geringer Stromverbrauch; plug-and-play-tauglich, da keine Aufwärmphase zu beachten ist. Kurz: pflegeleichter Wohlklang. Wer braucht überhaupt die antiquierten Glaskolben?

Und doch: Irgendwann beginnt es jeden zu wurmen. Liest man doch allenthalben vom akustischen Eros des evakuierten Glaskolbens. Von einem Tag auf den anderen wird der niedrige Wirkungsgrad der eigenen Schallwandler zum Problem. Nachts wälzt man sich schlaflos im Bett, statt Schäfchen über Zäune schweben Elektronen durch Steuergitter. „Wenn es doch ein Gerät gäbe, kräftig und robust wie ein Transistor, einfach zum Hinstellen und sorglosen Aufdrehen, nur eben mit diesem gewissen, ja, was denn nun …“

Ein klarer Fall für den Hybridverstärker.

An entscheidender Stelle siliziumbestückt, befreit solch ein Zwitter von Sorgen um den passenden Lautsprecherpartner. Vor allem garantiert die Beschränkung auf eine Röhrenvorstufe, dass das klangliche Endergebnis tatsächlich die vom Erbauer geplanten Vorzüge zu Gehör bringt. Nicht selten halten nämlich gerade Einsteiger in die Materie das aufgeweichte Gewaber überforderter Glaskolben für wohligen „Röhrensound“.

Bei Tube Technology hat man die strategische Bedeutung einer solchen Einstiegsdroge im eigenen Sortiment erkannt. Welchen Grund gäbe es sonst, sich selbst Konkurrenz zu machen? Schließlich ist das Preissegment des Fusion HB70i mit der Vollröhre Unisis Signature bestens besetzt. Nur zählt dieser chrom- und goldblitzende, 16 Kilo schwere, mit sage und schreibe 14 Glaskolben bestückte Wonneproppen unübersehbar zur „Classic Series“. Nicht wirklich das, womit man iPod-beschallte Jungaudiophile hinterm Laptop hervorholt. Deswegen haben die Briten vor einigen Jahren auch eine „Contemporary Series“ aus der Taufe gehoben – eine modern verpackte Fusion aus Röhren, Transistoren und Mikroprozessoren.

Tube-Technology-Gründer Zia Faruqi ist schon in jungen Jahren unter den Einfluss einschlägig bekannter Szenegrößen geraten. Mit 17 traf er im Elektronikladen David Manley. Genau, den Manley, Gründer der Röhrenmanufakturen VTL und Manley Labs. Der galt schon in den 80er Jahren als Röhren-Guru, und er fand offenbar Gefallen an dem jungen Hobbylöter. Manley wurde Mentor von Faruqi und übertrug ihm einige Jahre später sogar den Posten des Managing Directors bei VTL. Die beiden blieben Freunde, auch als Manley VTL an seinen Sohn Luke übergab und sich der Neugründung Manley Labs zuwandte. Da hatte sich auch Faruqi schon abgenabelt und 1988 eine eigene Firma gegründet: Tube Technology.

Für Show sind andere zuständig. Muss ja nicht jeder wissen, dass sich unter dem Aludeckel Röhren nach Militärspezifikation mit ausgefeilten Transistorschaltungen verbrüdern

Übrigens: Manley senior, der lange Zeit von der audiophilen Weltkarte verschwunden schien, ist wieder da. Und zwar „gefeatured“ von Tube Technology. An der Fusion-Baureihe ist er aber noch nicht beteiligt. Das wäre was gewesen …

Einige provokante Marketingformulierungen: “The Fusion HB70i is designed to offer exceptional realism in a Hi-Fi system without having to use vacuum tubes in the output power stage.” Da haben wir’s: Ausnehmend realistisch trotz des Verzichts auf eine Röhrenendstufe. Was für ein Statement. Deswegen gleich noch so eine Aussage von der – übrigens durchaus informativen – Firmenwebseite: “One of the very first people in Britain to realise the dreadful mediocrity of the average transistor amplifier and to do something constructive about it, was Zia Faruqi.” Soso – „furchtbare Mittelmäßigkeit von Transistorverstärkern“ also. Nun gut.

Der kleinste der drei Vollverstärker des Hauses kommt in einem schlichten, designtechnisch eigenständigen, aber kaum ungewöhnlichen Alukleid daher. Darauf ist Zia Faruqi stolz. Es ist nämlich (fast) gleich bleibende Basis für die gesamte, noch eine Endstufe, einen CD-Player und einen Tuner umfassende Baureihe. Das, so betont er, spare finanziellen Aufwand, was wiederum den inneren Werten zugute käme. Die Bedienung des Fusion HB70i ist selbsterklärend, rückseitig an der Netzbuchse befindet sich der „harte“ Netzschalter, vorne links am Gerät der Einschalter. Dessen Betätigung startet eine prozessorgesteuerte Hochfahrsequenz, während derer sich der Lautstärkeregler selbst durch lautstarkes Durchdrehen profiliert. Der frontseitige Aluknopf bedient nämlich nur einen gerasterten Impulsgeber. Dessen Signale befehligen ein im Geräteinneren sitzendes motorisiertes Alps-Poti. Leider arbeitet das Ganze mit etwas gewöhnungsbedürftiger Verzögerung, dafür erhält der Hörer aber eine numerische Rückmeldung über den gewählten Pegel am mehrstelligen alphanumerischen LED-Display. Eine feine Sache, nicht nur für Tester.

Auf die Verarbeitungsqualität kann sich Tube Technology etwas einbilden. Natürlich ist ein Hybride platinenge- bunden aufgebaut. Nur wenn es darum geht, die niederohmige Class-A-Röhrenvorstufe mit der Leistungs- sektion zu verbinden, kommen hochwertige Koaxialleiter zum Einsatz

Mit sechs Eingängen, einer Tape-Schleife und einem Vorstufenausgang lässt der Fusion HB70i keine Wünsche offen. Die Qualität der Anschlüsse ist der Preisklasse angemessen, über eine Phasenmarkierung der Netzbuchse würden wir uns freuen

Erst wenn die Röhren schonend hochgefahren sind, geben Relais die Lautsprecherausgänge frei. Keine Schwächen auch bei der Quellenwahl: Die erfolgt – auch per Relais – in unmittelbarer Nähe der Eingangsbuchsen

Wenn schon Transistoren, dann bitte ausschließlich MOS-FETs. Um das Zusammenspiel von Sand und Röhren noch harmonischer zu gestalten, pflanzen die Tube-Technologen die Dreibeiner in eine eigens entwickelte Schaltung namens T-ODE-FET. Das Ziel: die Fusion von Transistorpower und Triodenwohlklang

Getrennte Netzteile sind Ehrensache, erst recht bei einem Vollverstärker, in dem Röhren mit Mikroprozessoren paktieren. Der dazugehörige schicke Trafo ist nur einer von dreien und beliefert ausschließlich die Röhrenvorstufe

Innen besticht der 70 Watt (an 8 Ohm) starke Integrierte mit vorbildlich sauberem, kompaktem Aufbau. Drei Netzteile sorgen für getrennte Stromzufuhr zu Steuerlogik, Röhrenschaltung und Transistorpart. Zwei ordentlich dimensionierte Kühlkörper weisen auf den hohen Class-A-Anteil der Endstufe hin, die Rede ist von rund zehn bis zwölf Prozent der Maximalleistung. Im Einstreuungen minimierenden Respektsabstand zur Traforiege dann die Röhren: pro Kanal eine Doppeltriode des Typs 6922, mittels übergezogenem Gummiring gegen Mikrofonie geschützt. Ansonsten aber – meine Güte, das darf ich hier gar nicht schreiben – jede Menge Feldeffekttransistoren. In der Vorstufe gar ausschließlich.

Mr. Faruqi, was haben Sie sich dabei gedacht?

„Wenn Tube Technology schon seine Produktpalette von reinen Röhrenverstärkern um Hybridprodukte erweitern sollte, fanden wir es wichtig, die Sache ein wenig anders, ehrgeiziger anzupacken.“

Im Fusion HB70i steckt im Wesentlichen ein klassischer Push-Pull-Verstärker mit pro Ka­nal einem komplementären Transistorpärchen. Das „ein wenig Andere“ daran nennt Zia Faruqi „single rail amplifier design“. Gemeint ist die Versorgung der Verstärkerschaltung mit positiver Betriebsspannung, etwas, das zu Zeiten der Röhren-zu-Transistoren-Wachablösung recht gängig war, heute aber praktisch nicht mehr anzutreffen ist. Damit beweist Faruqi tatsächlich Ehrgeiz. Diese Bauweise ist im Vergleich zu den heute gängigen „gewöhnlichen“, plus/minus-versorgten Schaltungen nämlich vor allem eines: komplizierter. Aber es steckt eben auch ein besonderer Röhren-Touch in solch einer vermeintlich antiquierten Behandlung der Siliziums. Faruqi kann den Röhrenspezialisten nicht verleugnen – und will es sicher auch nicht.

Die Doppeltriode 6922, die Zia Faruqi im Eingang der Endstufe zur Spannungsverstärkung einsetzt, stammt ursprünglich aus der Hochfrequenztechnik. Sie entspricht den europäischen Typen E88CC beziehungsweise ECC88. Dass die beiden Glaskolben ihren Einsatz nicht dem Wunsch nach einem wie auch immer gearteten Röhrensound verdanken, beweist die gesunde Dosis Über-alles-Gegenkopplung, die dem Integrierten ver­abreicht wird. Faruqi ist kein Freund der Klirr-Euphonie, erst recht nicht der als unangenehm empfundenen ungeradzahligen Verzerrungen, denen er per Feedback den Garaus macht.

Das Single-Rail-Konzept erfordert im Ausgang einen Kondensator, der etwaige Gleichstromanteile im Musiksignal von den Lautsprechern fern hält. Leider wirkt sich dessen Vorhandensein auch auf den Dämpfungsfaktor aus – mit weich aufgehängten Langhub-Tieftönern sollte man den kleinen Integrierten tunlichst nicht quälen. Im Normalfall kuscht die subjektiv ausgesprochen kräftige und bis hin zu Livepegeln stoisch Leistung nachschiebende Transistorendstufe aber vor kaum einem Wandler – Pluspunkt für das Hybridkonzept.

Ein echter Lebensspender und somit praktisch Pflicht ist eine sorgfältige Aufstellung des Briten. Was übrigens allgemein für Elektronik der audiophilen Einsteigerklasse gilt, wo betriebswirtschaftliche Vernunft den Verzicht auf monströse Tresorgehäuse gebietet. Dem Fusion HB70i bescherte ein Satz der ausgeklügelten Satin-Wood-Ceramique-Ge­rä­tefüße – im Prinzip Hartholzschalen mit polierter Lauffläche für eine Keramikkugel – einen höchst willkommenen akustischen Koffeinschub. Solcherart präpariert und angemessen warmgelaufen, macht er sich über die Lautsprecher her, dass es eine wahre Freude ist.

Von wegen Einsteigermodell. Der Klang des kleinen Tube Technology – an einer hoch­ohmigen 90-Dezibel-Box, wohlgemerkt – beschämt seinen unprätentiösen optischen Auftritt. Rasend schnell ist er, glasklar und hochauflösend, ein veritables Präzisionsinstrument. Wüsste man’s nicht besser, verortete man seinen Herkunftsort eher in der Schweiz als im Vereinigten Königreich – nicht die Spur einer britischen Klangtradition ist hier auszumachen. „Contemporary Series“ – ganz genau.

Wer High End als maximale Annäherung an eine aufgezeichnete Realität begreift, kann sich kaum einen größeren Gefallen tun, als den Fusion HB70i in seine Kette einzuschleifen. Der Integrierte widmet sich den aller­feins­ten Auflösungsdetails mit maximaler Hingabe. Was dieser Tage zu bezahlbarem Kurs speziell in Sachen Raumdarstellung möglich ist, sollte sich manch Betreiber von angejährtem, ehedem höchstklassigem HiFi-Equipment dringend anhören.

Beispielsweise Ferne. Klassik- oder Jazzaufnahmen in natürlicher Akustik verleiht der Fusion Authentizität, indem er Hallanteile weder melodiebetonend unterdrückt noch analyseverliebt hervorhebt, sondern schlicht extrem präzise zuordnet. Bei leise und klein klingenden Instrumenten wird klar, dass sie eben auch entsprechend weit vom Mikrofon entfernt stehen.

Beispielsweise Nähe. Man nehme die Aufzeichnung eines Jazztrios wie etwa die aufnahmetechnisch exquisite CD Hum mit Daniel Humair, René Urtreger und Pierre Michelot (Sketch SKE 333006.08). In einem durchschnittlich großen Wohnzimmer holt der Tube Technology bei Pegelstellung 14 die Jazzbühne ins Haus: lebensgroß, bisweilen erschreckend dynamisch, hautnah, einfach echt.

Stichwort Jazz: Eine Schau ist die Darstellung von Schlagzeugbecken. Das liegt am energiereichen Hochton, der trotz seiner Präsenz nie lästig wird, eher süchtig macht nach Details. Ohnehin ist die tonale Abstimmung kompromissloser Linearität verpflichtet. Angebiedert wird sich nicht, das Diktat liegt eindeutig beim Tonträger.

Alles spricht dafür, dass Zia Faruqi äußerst konsequent seine Klangphilosophie verfolgt. Schließlich fiel das Urteil des Kollegen Kraft über den rein röhrenbestückten Verstärkerbruder Unisis Signature ganz ähnlich aus: „Perlig frischer, supertransparenter Klang!“ schrieb er als Fazit in image hifi Nr. 67. Allein die Seidigkeit, die er der Vollröhre attestierte, kann ich beim Hybriden beim besten Willen nicht heraushören. Harsch klingt er allerdings auch nicht – vielleicht verbinde ich mit „seidig“ ja auch zu viel anheimelnde Ohren­schmeichelei, und damit hat der Fusion nun wirklich nichts am Hut.

Wer viel Klavier hört, wird diesen Integrierten lieben. Zum einen, weil er den hohen Metallanteil eines Flügels nicht verheimlicht, ohne nervig-glockig zu klingen. Zum anderen, weil ihm kein Mechanikgeräusch entgeht. Das ist eine dieser Unarten, die ich überhaupt nicht leiden kann: dass Klavier auf Tonträger so oft vollkommen entkörperlicht als Nur-Ton konserviert ist. Der Fusion HB70i bewahrt dank seines Auflösungsvermögens das komplexe Instrument als Ganzes.

Möchte man ein bestimmtes Hörertemperament als Zielgruppe des Tube Technology besonders hervorheben, wäre das zweifellos der audiophil ambitionierte Beobachter und Entdecker. Der Brite ist eines dieser Geräte, bei denen die oft bemühte Feststellung zutrifft, sie ließen einen die Plattensammlung neu erleben. Seine prickelnde Unmittelbarkeit öffnet musikalische Horizonte. Seine highendigen Qualitäten ziehen unweigerlich Folgeinvestitionen nach sich. Mehr Röhre? Gerne. Aber, zugegeben, ich habe während des Testzeitraums kaum einmal an die Glaskolben in seinem Inneren gedacht, sondern einfach nur intensiv Musik gehört. So soll es sein.

Geräteinformation

Leistung: 2 x 70 Watt (8 Ohm), 2 x 120 Watt (4 Ohm)

Eingänge: 6 x Line (Cinch)

Ausgänge: 1 x Tape Out (Cinch), 1 x Pre Out (Cinch), 2 x Lautsprecher (Bi-Wiring)

Besonderheiten: Fernbedienung inkl., Gehäuseausführung wahlweise in Silber oder Schwarz, Display dimmbar

Maße (B/H/T): 41/12/32 cm

Gewicht: 14 kg

Garantiezeit: 24 Monate

Preis: 2400 Euro

Kontakt

www.tubetechnology.co.uk

www.expolinear.de