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Das Lenco Heaven Forum

Lenco? Waren das nicht diese rumpelnden Reibradler, die man in den 70er- und 80er-Jahren in mancher Diskothek und vielen Hobbykellern fand?

Text von: Christian Bayer
Fotos: Britta Sauer

Die in schwabbelig aufgehängten Zargen ihr Dasein fristeten? Mit Tonarmen, die den Namen eigentlich gar nicht verdienten? Die sich allerdings auch stufenlos zwischen 16 und knapp 80 Umdrehungen pro Minute einstellen ließen und irgendwie, wenn sie liefen, schon einen geilen Sound hatten? Genau – Lenco. Aber Heaven? Das ist dann des Guten doch wohl ein wenig zu viel, oder? Bevor ich jedoch das Geheimnis um Lenco Heaven lüfte, steht noch eine Art Ehrenrettung, im Grunde ein Appell: Jeder sollte einmal, bevor er sich daran macht, seinen Super-Lenco aufzubauen, einen gut restaurierten, ansonsten aber original belassenen Lenco ausprobiert und gehört haben. Ich favorisiere eigentlich die Modelle der L-70-Baureihe, meine aber hier explizit die Klassiker der Baureihe L-75 / L-78 mit originalen, aber gewarteten Tonarmen. Er könnte eine Überraschung erleben, die darin gipfelt, dass er diesen Lenco behält und sich einen weiteren Lenco oder Teile für einen Super-Lenco kauft. Das gewartete Original spielt nämlich so locker, so mitreißend und involvierend, dass der Wunsch nach mehr erst einmal gar nicht aufkommen mag. Ich sagte erst einmal.

Lenco Heaven

Bei einem Münchener Audiomeeting namens Schall und Rauch im Jahr 2008 habe ich Thomas Schick, den Tonarm-Macher, kennengelernt. Über ihn finden Sie einen eigenen Artikel in diesem Buch. Schick hatte einen Plattenspieler dabei, den ich überhaupt nicht einordnen konnte. Auf einer sehr kompakten, schicken Bambuszarge war bündig eine dicke Chassisplatte aus Edelstahl montiert – ein frühes PTP-Design, auf das ich im Anhang noch eingehen werde. Über dieser PTP-Chassisplatte schien ein Plattenteller zu schweben. Ansonsten war vorne rechts ein Kippschalter für den Betrieb zu erkennen, mehr nicht. Ob das ein russischer Plattenspieler sei, wollte ich wissen? Schick lachte: „Ne, das ist ein Lenco!“ Ein Lenco? In meinem Gehirn begann es zu knirschen. Was sollte das denn für ein Lenco sein? Doch die Details erfuhr ich erst später. Der Auftritt dieser kleinen Wuchtbrumme mit separater Schieferarmbasis und Schick 12-Tonarm beeindruckte mich sofort nachhaltig: So einen flinken, gleichzeitig gelassenen, dynamisch-organischen Klang hatte ich noch selten gehört. Der kleine Lenco schlug sich auch gegen nachgerade monströse Referenz-Reibradler wie den ebenfalls angetretenen EMT 927 hervorragend, klang eigentlich nicht schlechter, nur anders. Dieses Erlebnis brachte mich zum Nachdenken, und obwohl ich kein Freund von Internetforen bin, stieß ich durch den Tipp eines Freundes 2009 auf ein Forum namens www.lencoheaven.net und mel­dete mich dort an. Dort fand ich Erstaunliches: einen witzigen, unterstützenden und jederzeit freundlichen Umgang in einer Gemeinschaft, die sich rund um den Erdball erstreckt. Lenco Heaven war nach dem Ende des Vorgängerforums Lenco Lovers gerade erst gegründet worden. Der harte Kern kannte sich schon länger und erweiterte sich nun ständig. Noch 2009 fand ein erstes Treffen in Großbritannien statt, wo das Forum auch basiert ist. 2010 wechselte das jährliche Haupttreffen dank der unbändigen Energie des Brüsseler Arztes Dr. Jean Veys nach Belgien, wo es seit 2011 seinen festen Sitz in einer kleinen wallonischen Gemeinde gefunden hat. Das englische Meeting läuft parallel weiter.

Das Lenco Heaven Meeting in Belgien ist vor allem drei Menschen zu verdanken:

Im oberen Bild sieht man links den Gastgeber Marc-Antoine, dem das wundervolle Anwesen in Beauvechain gehört, mit seiner Frau Yanara. Sie sorgen Jahr für Jahr dafür, dass die Räumlichkeiten, die Stimmung und das Essen immer noch ein wenig besser werden

Jean Veys ist der eigentliche Motor des Treffens. „The Belgian Cannonball“, wie ihn Joe Roberts genannt hat, ist eigentlich Arzt in Brüssel. Er ist ein Unikum, ein Audioverrückter und Musikliebhaber, ein Macher mit schier unbegrenzter Energie und Liebe für Menschen

Marc-Antoine, Besitzer der unvergleichlichen Heimstatt des Meetings in Belgien hat den Hof von seinem Vater geerbt. Zuvor war er ein erfolgreicher Bildhauer gewesen, fühlte sich aber unwohl und falsch aufgehoben in der aufgeblasenen Kunstwelt. Also gab er diese Karriere erst einmal auf und segelte mit einem Freund mit unklarer Motivation in Richtung Kuba auf und davon. Dort lebte er einige Zeit und traf nach drei Jahren ein Mädchen, in das er sich auf der Stelle verliebte. Doch durfte er nur mit ihr reden, wenn er versprach, sie zu heiraten. Genau das wollte er. Der Rest ist praktisch Geschichte: vom einfachen Decken des ersten Daches des elterlichen Hofs über die Renovierung des gesamten Bestands bis hin zum Aus- und Neubau zu einem unfassbaren Kleinod. Die Sorgfalt, Kennerschaft und Liebe, mit der auch noch das kleinste Detail ausgeführt, auch noch der bescheidenste Raum ausgestattet ist, muss man wirklich einmal mit eigenen Augen gesehen haben. Marc-Antoine möchte Menschen dazu animieren, ihre Ideen zu entdecken und umzusetzen und er geht mit leuchtendem Beispiel voran.

Was passiert nun auf so einem Meeting? Anders als bei anderen Audiotreffen wird hier relativ wenig „gebastelt“. Auch sind Lencos nicht unbedingt in der Mehrzahl und schon gar keine Voraussetzung, um daran teilnehmen zu können. Der Fokus liegt ganz klar auf den persönlichen Beziehungen und sich vertiefenden Freundschaften, dem Essen und Trinken und dem gemeinsamen Musikhören. Dazu gibt es immer wieder Sonderveranstaltungen wie Live-Konzerte oder Besuche seltener Museen. 2016 war ein besonderes Jahr, denn eine Gruppe japanischer HiFi-Besessener reiste mit 350 kg Verstärkern und sonstigem Zubehör im Gepäck aus dem Land der aufgehenden Sonne nach Belgien, um ihre Leidenschaften mit uns zu teilen. Sie sehen schon, es gibt in diesem Forum, in dieser Szene keine Grenzen. Für 2017 ist ein Gegentreffen in Fukuoka geplant, das vom besagten Jean Veys und Jean Hiraga, einer echten Legende der Audioszene, organisiert wird. Die Freundschaften, die sich aus dem Lenco Heaven Forum und den Meetings ergeben, haben Bestand. Mein Dank gilt Jean Veys und dem Organisationsteam um Marc-Antoine, Yanara, Jeans Mutter Mary und vielen mehr. Und Ihnen wünsche ich nun viel Freude beim Anschauen der Fotos.

Nummer 3: Ohne die positive Energie von Jean Veys’ Mutter Mary wäre das Treffen ebenfalls nicht vorstellbar. Hier stärkt sie Eloine, die kleine Tochter von Marc-Antoine und Yanara