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Ayon Firestorm

Text von: Michael Vrzal

Elektronik mit K.-u.-k.-Charme: Tschechen, Österreicher und, nein, nicht Ungarn, sondern Italiener bauen gemeinsam aufsehenerregendes Röhren-High-End. Ihre Stereoendstufe Firestorm enttäuscht in exakt einem Punkt: Entgegen dem Namen glimmen die exquisiten Leistungs­trioden ganz friedlich vor sich hin. Die Watt, die sie dabei erzeugen, gehören allerdings zum Allerfeinsten.

Der radikale Röhrensockel wäre ein netter Einstieg. Oder die Geschichte mit den Fliegen. Das irre Genie aus Prag? Nein, zu heftig. Fangen wir menschlich an.

Gerhard Hirt platzt fast vor Begeisterung. Das merkt man daran, dass er alle paar Minuten „Der Wahnsinn!“ ruft. Drei Dezibel mehr Dynamik – der Wahnsinn! Vier Ampere Ausgangsstrom – der Wahnsinn! Es sprudelt nur so aus ihm heraus: Die Geschichte von Ayon, die technische Pionierarbeit, der sensationelle Erfolg. Hirt war von Anfang an mit dabei, und wenn wir jetzt am Telefon über die Stereoendstufe Firestorm reden, dann geht es nicht nur um irgendein Produkt für irgendeine Zielgruppe, sondern um Herzblut.

Anfang der, wie sagt man, nuller Jahre übernahm Hirt die in Turbulenzen geratene Firma, die damals noch nach einem ihrer Gründer Vaic hieß, und führte sie als Ayon Audio in sichere Fahrwasser. Das war auch bitter nötig. 1996 hatte der US-amerikanische Audiophilenpapst Harry Pearson die mit der Supertriode 52B bestückten Vaic-Monoendstufen zu seiner persönlichen Referenz erklärt – der denkbar schlechteste Zeitpunkt zum Aufhören. Unter österreichischer Kontrolle – Hirt residiert in Gratkorn, einer Kleinstadt zwischen Graz und Wien – ging es dagegen mit der Kooperation aus tschechischem Röhren- und italienischem Fertigungs-Know-how weiter aufwärts.

Kern des Erfolges waren von Anfang an die Röhren. Extreme Glaskolben, die der tsche­chische Röhrentüftler Alesa Vaic auf Basis des altehrwürdigen 300B-Designs gezüchtet hat. Mit der Mutter aller Leistungstrioden hat die in der Firestorm-Endstufe verbaute 52B, zumal in der aktuellsten S-Variante, nur noch das B im Namen und den Sockel gemein. Eine 52B-S ist der Alpine-BMW, der AMG-Mercedes unter den Trioden.

Ehrfurchtgebietend schon der überdimensionierte Kolben aus Laborglas. Eine Folge des Strebens nach maximalem Vakuum, erklärt Hirt, wobei der erreichte Wert von 10-9 Torr nicht nur respektabel aussieht, sondern, wie mir ein Ingenieur bestätigt, bei Audio-Röhren wohl tatsächlich einzigartig sein dürfte: „Da kennen sich die verbliebenen paar Luftmoleküle mit Namen.“

Innen lassen rund um die Anodenbleche angebrachte Kühlrippen keinen Zweifel an der Potenz: zwei Ampere Heizstrom und 78 Watt Verlustleistung sind schon ein Wort. An Metallen kommen Nickel, Wolfram und Gold zum Einsatz, bis ins allerletzte Detail will man seine Materialien nicht preisgeben, da die kopierende Konkurrenz immer mitliest.

Wie steht es denn um die Lebensdauer bei solch einem extremen Bauteil? Extrem? Ach was, da ist noch Luft, bildlich gesprochen, beruhigt Gerhard Hirt. Was die tschechische Fertigung verlässt, entspreche höchsten Qualitätsanforderungen, und wenn material­bedingt doch etwas schief laufen sollte – nicht nur innerhalb des ersten (garantiegedeckten) Betriebsjahres – dann könne man voll auf die kulante Servicepolitik von Ayon vertrauen.

Kühlbleche, wohin das Auge sieht – der Anoden-Ruhestrom von 130 Milliampere fordert seinen thermischen Tribut. Das Innenleben der 52B-S ist äußerst robust aufgebaut, die leistungsstarke Röhre wird in der Firestorm deutlich unter ihrem Limit betrieben

Die SRPP-beschaltete Doppeltriode 6SN7 hat die nöti- ge Leistung und eine ausreichend niedrige Impedanz, um die 52B-S zu treiben

Ohne Fehl und Tadel sind sowohl die elektrische wie auch die mechanische Verarbeitung der Firestorm. Ein Goodie stellen die gelben Kondensatoren italienischer Provenienz dar – sie sollen in puncto Lade- und Entladegeschwindigkeit der versammelten Konkurrenz eine Nasenspitze voraus sein

Zur Illustration erzählt Hirt die Geschichte von der Fliegeninvasion. In einem Röhrenjahrgang häuften sich plötzlich die vorzeitigen Defekte. Alle waren ratlos, bis man feststellte, dass zur gleichen Zeit eine regelrechte Fliegenplage am Fabrikationsort herrschte. Die Insekten waren überall, drangen in die Werkstätten ein, einige schafften es sogar, mit ihren dreckigen Beinchen auf den nur einen Moment lang ungeschützten, für den Einbau vorbereiteten Röhrenblechen zu landen. Allein das verkürzte die Lebensdauer der Trioden drastisch. Seither sind die Arbeitsplätze fliegenfrei und Quali­täts­probleme kein Thema.

Ungewöhnlich ist der Sockel der 52B-S. Bei Ayon gab man sich nicht mit Porzellan zufrieden, da dessen Dielektrizitätskonstante im Vergleich gar nicht so gut dasteht und es außerdem Vibrationen kaum bedämpft weiterleitet – Stichwort Mikrofonie. So kam man auf das Lieblingsmaterial der Kabelbauer: Teflon. Der Ayon-Sockel besteht aus einer gut zwei Zentimeter dicken Platte aus reinem („virgin“) Teflon. Die massiven Federkontakte aus hochreinem Kupfer sind für jeden Röhrenpin doppelt ausgeführt. Die resultierende Minimierung von Übergangswiderständen schlägt sich laut Hirt in einem messtechnisch nachvollziehbaren Dynamikgewinn von drei Dezibel nieder („Der Wahnsinn!“).

Übrigens: Hier könnten, „wenn’s hart auf hart kommt“ (Hirt), auch normale 300Bs eingesetzt werden. Einige elektrische Anpassungen am Verstärker wären dazu zwar nötig, die Möglichkeit besteht aber.

Schaltungstechnisch gibt ein Trioden-Eintakter nur wenig her. Im Fall der Firestorm wird die Leistungssektion von pro Kanal einer Doppeltriode des Typs 6SN7 in SRPP-Schaltung angetrieben, ein weiterer gleich beschalteter Glaskolben desselben Typs übernimmt die Eingangsverstärkung. Das ganze Konzept ist also dreistufig und bezieht seinen Charme aus der schieren Leistungsfähigkeit der modernen 52B-S, die den Bau eines Class-A-Eintakters ermöglicht, der selbst Hausnummern wie eine 845 oder 211 alt aussehen lässt.

Vier Trafotöpfe (österreichisch: Kanister) lassen große Taten in Sachen Netzteil und Übertrager erwarten. Es treten auf: Im frontal betrachtet linken äußeren Kanister ein 500-Watt-Trafo für die Anodenspannung und ein kaum weniger potenter Kollege für die Heizung (wir erinnern uns: zwei Ampere Heizstrom!), im rechten die Siebspule des Choke-Netzteils mit einer Induktivität von beachtlichen acht Henry. Mittig auf dem Chassis sitzen hintereinander die beiden Übertrager. Wie die Netztrafos sind sie selbst gewickelt und in ihren polierten Behausungen resonanzmindernd vergossen.

Apropos Netzteilplatine: Wäre Freiverdrahtung nicht, nun ja, stilvoller gewesen? Nein, sagt Gerhard Hirt, man habe zwar damit experimentiert, hätte sogar den eben in Ent­wicklung befindlichen kleinen Vollverstärker so aufgebaut, aber, „und jetzt kommt’s“, das Oszilloskop hätte eindeutig zugunsten der Platinenlösung ausgeschlagen: weniger Störungen, bessere Übersprechdämpfung. Zur Belohnung spendierte man den dicken Leiterbahnen einen Goldüberzug, um die Leitfähigkeit und nicht zuletzt den Korrosionsschutz zu optimieren. Die wenigen sauber orthogonal verlegten Kabelverbindungen stammen vom US-Spezialisten Synergistic (Signalzuleitungen) und von einem ungenannten Schweizer Zulieferer (Strom).

Die Ausstattung beschränkt sich im Wesentlichen auf die üblichen Ein- und Ausgänge. Die Signalannahme erfolgt unsymmetrisch, lediglich als werterhaltende Maßnahme für Besitzer hochwertiger symmetrischer Kleinsignalverbinder finden sich XLR-Buchsen neben den Cinch-Eingängen. Desymmetriert wird allerdings ohne Umschweife per Drahtbrücken zu den Cinchbuchsen. Übertragerabgriffe für Vier- und Acht-Ohm-Lautsprecher sind in mechanisch ausgezeichnete Klemmen herausgeführt. Je zwei Messanschlüsse und Trimmpotis weisen darauf hin, dass die Ruhestrom­einstellung der Endröhren manuell erfolgt.

Des einen Herzblut ist des anderen Rückenweh. Um die Firestorm aus ihrer Holzkiste zu hieven, braucht es angesichts 42 Kilogramm Nettogewicht vier Hände. Die Endstufe ist schon eine Schau. Hat sie sich erst einmal mit ihren vier Spikes auf dem heimischen Rack festgekrallt, dominiert sie mühelos den Raum. Erst recht, wenn nach dem Einschalten der Firmenname an der Front blau erglüht. Understatement? Pah!

Was Röhrenwatt können, können nur Röhrenwatt. 30 Watt lautet die Leistungsangabe für die Firestorm, auf dem Blatt steht noch was von 50 Watt Impulsleistung. Ähnlich war einst mein audiophiler Einstieg spezifiziert, die seinerzeit kleinste Naim-Endstufe NAP90/3. Auch sie wirkte subjektiv kräftiger als mancher Watt-Papiertiger. Die Ayon würde sie zum Dessert vernaschen. Was für ein Tier.

Technisch gesehen hat hier die ungeheure Stromlieferfähigkeit der Kathoden ihren gro­ßen Auftritt. Satte vier Ampere, theoretisch („Der Wahnsinn!“). Der Urahn 300B ist mit einem Zweiundreißigstel davon spezifiziert. Natürlich liegt die Wahrheit im Übertrager, der letztendlich für die Impedanzwandlung sorgt. Wie gut der seine Aufgabe verrichtet, darüber besteht aber nach nur wenigen Tönen kein Zweifel.

Der Röhren-Schraubstock ist allerdings samtgefüttert. Ayons gänzlich gegenkopplungsfreie Eintakt-Endstufe kann zwar Tieftongewitter entfachen, dass es einem angst und bange um die Deckenlampen der Nachbarn einen Stock tiefer wird. Doch sie lässt Gnade vor Recht ergehen, sprich: sie tauscht den ultimativen Rest Härte gegen organisches Schwingen.

Überhaupt ist Beweglichkeit angesagt. Die Ayon swingt, allerdings anders als die in dieser Hinsicht stilbildende Elektronik britischer Herkunft – vornehmer, dabei kaum weniger zwingend. Walzer statt Boogie. Interessanterweise fällt das besonders bei klassischer Musik auf, wo Melodiephrasen das Taktraster auflösen. Die Firestorm verleitet zum Mitsingen, sie lädt die Luft im Hörraum mit harmonischer Kraft auf, der sich kaum jemand entziehen kann. „Wie sollen wir jetzt noch zu Hause Musik hören“, seufzte ein bislang audiophil unbeleckter Besucher, der die Endstufe erst wenige Minuten auf kleiner Stufe mit Hintergrundmusik pluckernd erlebt hatte. Tja, mein Lieber …

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Neben all den mitreißenden Qualitäten mit Wurzeln im Basskeller hat der österreichische Edelstahlbolide auch in höheren Regionen eine Menge zu bieten. Wer allerdings glaubt, das Gegenstück zum Basshammer sei ein Hochtonskalpell, der irrt. Für zartes Detailgespinst zückt die Ayon den denkbar feinsten Ein-Haar-Pinsel.

Aus dem Gefühl heraus möchte ich behaupten, dass gerade in der Mitten- und Hochtonwiedergabe die Firmenphilosophie hörbar wird. Keine automatische Bias-Einstellung – frisst doch nur Klang. Keine Gegenkopplung – dito. Eintakt Class A, also keine Übernahmeverzerrungen. Wenn Klirr, dann ausschließlich feiner harmonischer. Zwischen Eingangs- und Ausgangsbuchsen sind Verluste aller Art zu minimieren. Was ich schließlich höre: ein butterweiches Spektrum ohne Ecken und Kanten, eine Detailfreude, die plastisch modellierend und so überhaupt nicht analytisch wirkt.

Bei Jeff Buckley stellen sich mir dann die Nackenhaare auf. Leise gestreichelte Gitarrensaiten, dann diese unnachahmlich klagende Stimme, der Anfang von „Lilac Wine“ von der CD Grace des tragisch jung verstorbenen Ausnahmemusikers. Gänsehaut. Kein anderer Verstärker hat bisher das Fragile eines E-Gitarrentons so gespenstisch real wiedergegeben wie die Ayon-Röhre. Und selbst wenn es, wie bei „So Real“, kurz laut und hart wird und einem der Verzerrer die Schädeldecke aufsägt, sind die beiden beteiligten Gitarren als individuelle Instrumente erkennbar. Das Schlagzeug wild in den Raum peitschen zu lassen, bereitet dem Amp ohnehin keine Mühe.

Ein Warnung: Die tonale Opulenz, mit der die Ayon Firestorm auftritt, kann für kleinere Räume glatt des Guten zu viel sein. Einerseits mag sie für jemanden, der sich unter Schmerzen von seinem geliebten, aber als fundamentlos empfundenen Kompaktwandler trennen möchte, den rettenden Glücksgriff bedeuten. Wie gerne hätte ich einen extrafeinen Minimonitor zur Hand gehabt, etwa vom Schlage der hochohmigen BBC-Zwerge LS3/5a – das muss eine zum Niederknien sinnliche Paarung ergeben. So wurden zumindest meine alten Dynaudios in die Pflicht genommen. Deren langhubige Polypropylen-Tiefmitteltöner können das ein oder andere Ampere durchaus verkraften. Physikalische Regeln vermag aber auch eine Firestorm nicht außer Kraft zu setzen: Eintakter brauchen Wirkungsgrad. Tonal funktioniert die Partnerschaft noch, selbst der Griff zu den Vier-Ohm-Klemmen hilft aber nichts. Das dynamische Resultat ist das akustische Äquivalent zu einer Staatslimousine: beeindruckend – wenn man auf Schrittgeschwindigkeit steht.

Den Anodenwiderständen spendiert man aus gutem Grund einen eigenen Kühlwinkel

Der unscheinbare 300B-kompatible Teflon-Sockel ist Ayon ein eigenes technisches White Paper wert. Man beachte die massive Kontaktausführung

Gar nicht schwer: Die regelmäßig fällige Ruhestromjustage mithilfe eines handelsüblichen Messgeräts und eines Schraubenziehers kann der stolze Eigner selbst übernehmen

Aber zurück zum Thema. Um mit der Firestorm als Partner von mindestens leidlich effizienten Fullrange-Wandlern glücklich zu werden, muss auch die Hörumgebung passen. Schwingbodengeplagte sollten eher in die schlank-akkurate Richtung recherchieren – es sei denn, das Raumvolumen verträgt die Entfaltung fülliger Klangbouquets. Wenn alles passt – Lautsprecher, Zuspieler, Raum, respektvoller Hörabstand – dann steht der Entführung des Hörers in virtuelle Tonträgerwelten nichts mehr im Wege.

Um noch einmal auf die Jeff-Buckley-CD zurückzukommen, die ich gleich mehrmals genossen habe, immer mitfühlend, ja mitleidend: Ayons Firestorm ist ein High-End-Verstärker mit dem Talent, Suchende aus dem High-End-Hamsterrad zu befreien und sie wieder dem ursprünglichen Sinn ihres Tuns zuzuführen: der Musik. Die Emotion, die ein Gitarrenakkord freisetzt, dank Audioelektronik zu Hause abrufbar zu haben, darum geht es doch. Oder in Feierabendstimmung auf einen Knopf zu drücken und sich von der Jazz-Röhre Linda Sharrock und ihrer Interpretation von „Besame Mucho“ den Kopf verdrehen zu lassen (Late Night Show II, Quinton Q-0504-2). Soll nur einer daherkommen mit „Die Suboktave kommt bei Livelautstärke bei mir aber trockener“ – es kratzt uns nicht. Denn vor uns steht eine Frau. Sie singt, flüs­tert, schmachtet das Mikrofon an – nur für uns. Und wir sind glücklich.

Geräteinformation

Bestückung: 4 x 6SN7, 2 x 52B-S

Leistung (8 Ohm): 2 x 30 Watt

Eingänge: 1 x Line (Cinch), 1 x Line (XLR, unsymmetrisch)

Ausgänge: 1 x Lautsprecher (4 Ohm und 8 Ohm)

Besonderheiten: gegenkopplungsfreier Eintakt-Class-A-Verstärker; Trimmpotis für manuellen Ruhestromabgleich von außen zugänglich

Maße (B/H/T): 47/27/39 cm

Gewicht: 42 kg

Garantiezeit: 24 Monate, Röhren 12 Monate

Preis: 8000 Euro

Kontakt

www.ayonaudio.com