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Tonarm PrimaryControl Arrow

Text von: Christian Bayer

Lebensäußerungen, was für ein interessanter Begriff. Beinahe so interessant wie Tonarm – Tonarm, der Arm der Töne. So ein Tonarm kann erstaunliche viele Formen annehmen. Er kann sehr dünn sein oder dick, rund, oval, flach, kurz, lang – es scheint fast keine Grenzen zu geben bei der Gestaltung dieses Hebels, denn darum handelt es sich letztlich, der an einem Ende einen Ton-Abnehmer trägt und am anderen Ende ein Lager und ein Gegengewicht.

Für mich macht es inzwischen mehr und mehr Sinn, mir die Designer oder besser Gestalter, auf holländisch „formgever“, solcher Produkte anzuschauen, bevor ich mich mit ihren Produkten beschäftige. So kann ich gleich abschätzen, was mich erwartet und ob mich das Thema interessieren könnte. Das klappt natürlich nicht immer, kann aber sehr hilfreich sein. Aber Moment, warum holländisch, weswegen spreche ich von „formgever“? Erstens mag ich das Wort, weil ich finde, dass es viel richtiger als zum Beispiel „Designer“ beschreibt, worum es beim Gestalten geht. Und zweitens lebt der Formgeber des PrimaryControl Arrow Tonarms in Amsterdam. Bernd Hemmen ist ein sehr schlanker, asketisch wirkender, großer Mann. Er wählt seine Worte mit Bedacht, wiegt sie gut ab, vermeidet Überflüssiges. Die für uns Audiophile wahrnehmbaren Lebensäußerungen sind seine beiden PrimaryControl Tonarme sowie mit dem Kinea ein dazu passendes Laufwerk. Und so wie jedes Produkt, insbesondere die nicht gewöhnlichen, die Handschrift seines Machers trägt und dadurch eben Teil unserer Kultur wird, so spiegeln die Produkte von Bernd Hemmen ihren Macher sehr deutlich. Das gilt ins­besondere für seinen zweiten Tonarm, den PrimaryControl Arrow (Pfeil): schlank, geradlinig, schnörkellos und elegant kommt er daher. Er muss im übertragenen Sinn nicht viele Worte machen, erklärt sich fast schon selbst, trägt seine Besonderheiten im Inneren und besticht durch seine Fähigkeiten.

Bernd Hemmen ist Rheinländer, der seit langer Zeit mit Frau und Kindern in Amsterdam wohnt. Auf seiner Website schreibt er folgerichtig: „German Engineering made in the Netherlands.“ Also deutsche Ingenieurskunst in den Niederlanden gefertigt. Doch wie kam es dazu, dass er Tonarme und Laufwerke baut? Hemmen ist in erster Linie Musikliebhaber und als solcher ein großer Kenner vor allem klassischer Musik. Daher interessierte er sich schon seit seiner Jugend für Musikwiedergabegeräte und begann nach der Schule ein universitäres, elektrotechnisches Studium. Das wurde allerdings so stark von höherer Mathematik und Theorie dominiert, dass er es abbrach. Einen nachhaltigen Effekt hatte das Studium dann aber doch. Durch ein Praktikum bekam er Gelegenheit, in einem verarbeitenden Betrieb Dreh- und Fräsmaschinen kennenzulernen. Er fand schnell heraus, dass er ein Talent für diese Arbeiten hatte und sie ihm auch noch Freude bereiteten. Es wurde also nichts aus Bernd Hemmen, dem Elektrotechnik-Ingenieur, und es wurde auch nichts aus dem Basketballprofi, der er auch hätte werden können. Hemmen konnte seine Größe nämlich sehr elegant in Szene setzen und spielte lange Zeit auf Topniveau. Doch manchmal entscheiden Kleinigkeiten über Lebenswege und so wurde der Musikfreak Hemmen erst einmal Schallplattenhändler für audiophile und historische Klassikaufnahmen. In den späten 80er-Jahren war das Internet, so wie wir es heute kennen, höchstens eine Idee. Das bedeutete für einen Anbieter, dass er lange Angebotslis­ten erstellen musste. Hemmen inserierte in der englischen Zeitschrift Grammophone und bekam tatsächlich viele handgeschriebene Bestellbriefe oder Suchlisten zugeschickt. Seine besten Kunden fand er damals in Asien, mancher Kontakt hilft ihm heute bei seiner zweiten Karriere als Audiohersteller. Viele seiner Schallplattenkunden verlor er jedoch durch das Aufkommen der Auktionsplattform eBay sowie im Zuge der Asienkrise 1998, als seine Umsätze regelrecht einbrachen. Also gab er dieses Geschäft auf. Hemmen hatte gut verdient und nun Zeit, sich seinen analogen Interessen zu widmen. Und obwohl er feststellte, dass er elektronische Schaltungen verstand und auch umsetzen konnte, kam er immer wieder auf die mechanischen Aspekte der Musikwiedergabe zurück, die ihn letztlich viel stärker reizten. Als Plattenspieler nutzte er mit dem Technics SP-10 Mk2 lange ein Studiolaufwerk, für das er seinen ersten eigenen Tonarm konstruierte. Doch Familie und Kinder rückten Selbstbau- und Entwicklungsaspekte für längere Zeit in den Hintergrund, bis ihn schließlich der Ehrgeiz, einen eigenen, richtig guten Tonarm bauen zu wollen, vor einigen Jahren wieder an Zeichentisch und Drehbank trieb. Anregungen dafür waren der Wheaton Tri-Planar und die Tonarme von Frank Schröder, dessen Holz-Armrohre das Design seines Reference-Tonarms beeinflussten. Ansonsten löste er sich gerade bei der visuellen Formgebung ganz von Bestehendem, was das Erscheinungsbild des Arrow auch ziemlich einzigartig macht.

Lagerparade – im Unterschied zum Reference-Arm verwendet Hemmen beim Arrow ein hoch spezifiertes kardanisches Lager, das natürlich noch nachbehandelt wird

Ist das nicht schön, wenn man so einen seriösen Entwickler auch mal lachen sieht? Im Ernst, Bernd Hemmen ist ein Qualitäts- und Klangfreak – das sieht und hört man. Foto: Britta Sauer

Aus verschiedenen Holzsorten werden die Armrohre für den Primary Contral Reference Tonarm hergestellt. Die Auswahl folgt resonanztechnischen Kriterien

Man kann deutlich erkennen, wie gut jedes einzelne Teil gearbeitet ist. Hier die Tonarmbasis samt Lagerschaft von unten. Foto: Britta Sauer

Engelshaare? Fast – fertig konfektionierte Tonarminnenverkabelungen warten auf ihren finalen Arbeitsplatz

Es wird Zeit, Musik zu hören. Ich habe mir für meinen Garrard 401 mit L’Art du Son-Tellerlager eine wunderhübsche Zarge von Martin Brenner aus Berlin (Vinylista) bauen lassen. Die Deckplatte wurde direkt für die Abmessungen des Arrow gebohrt. Diese Kombination spielt nun seit Monaten bei mir und durfte unterschiedlichsten Abtastern ein Zuhause bieten. Das erste System, das ich mit dem Arrow gehört habe, war mein Zyx R100 Yatra H, ein Tonabnehmer, der aufs Angenehmste neutral spielt. Systemgewicht des Zyx und effektive Masse des Arrow kommen rechnerisch in den gewünschten Bereich um die 8 Hz. Hemmen warnt jedoch davor, diese Werte für bare Münze zu nehmen. Er sagt: „Der Angabe der Nadelnachgiebigkeit, worauf sich die Formel zur Berechnung der Resonanzfrequenz der Kombination Tonabnehmer und Tonarm bezieht, wird eine Mess­referenz von 10 Hz zugrunde gelegt. Dieser Standard wird bei den Angaben von Tonabnehmern in Europa meist eingehalten und so ist die angegebene Nadelnachgiebigkeit direkt in der Formel verwendbar. Die Japaner geben ihre Nadelnachgiebigkeit allerdings meist bezogen auf 100 Hz an. Leider ist diese Angabe nicht in den Formeln wie oben angeführt zu verwenden. Erfahrungsgemäß muss man die Nadelnachgiebigkeit mit dem Faktor 1.8 – 2.2 multiplizieren, um eine brauchbare Angabe zu erhalten. Aber es kommt noch besser. Auf der anderen Seite vom Ozean, den USA, verwenden Hersteller auch gerne mal den statischen Wert. Der muss dann durch circa 2 geteilt werden, um damit weiter rechnen zu können.“ Diese hochinteressanten Informationen darf man also im Hinterkopf behalten, wenn man Tonabnehmer auch außerhalb ihrer scheinbar optimalen Resonanzfrequenz betreiben möchte. Rechnerische Mismatches können klanglich nicht nur deswegen ganz hervorragend funktionieren. Das Zyx ist so eine Art bester Freund, denn ich habe noch keinen Tonarm gehabt, mit dem es nicht zurechtgekommen wäre. Das System besticht auch im Arrow mit all seinen besonderen Eigenschaften: der ungeheuren Ausgeglichenheit, der ruhigen Abtastung, den feindynamischen Fähigkeiten. Der unvergleichliche Vladimir Horowitz hat mir – Klassik-Kenner mögen schmunzeln – Mozart erst erschlossen. Mozarts Sonate in C-Dur, KV 330, ein wahrhaft populäres Werk, zelebriert der damals schon 83-jährige Meister auf Horowitz in Moscow (DG 419 499-1, LP, Deutschland 1986) mit einer jugendlichen Frische, Klangschönheit und zeitlosen Liebe, die mich in jedem Moment vollkommen in ihren Bann zieht. Arrow und Zyx zeigen all diese Schönheit neben der spontanen Dynamik und dem Klangfarbenreichtum perfekt auf und das trotz des digitalen Masters.

Der Antrieb, technische Lösungen so in den Tonarm zu integrieren, dass sie nicht auf Anhieb zu erkennen sind, führt zu speziellen Lösungen. So muss das magnetische Antiskating von schräg vorne eingestellt werden

Auch eine elegante Lösung: Der Ruhepunkt des Tonarms ist ebenfalls magnetisch ausgeführt

Ein ausgesprochen schönes, zeitloses Design, bei dem silberne und goldene Akzente harmonisch zusammenfließen

Das war schon einmal sehr vielversprechend. Sie sind sicher gespannt darauf, wie Bernd Hemmen seine Produkte gestaltet. Grundsätzlich geht er zwar von einer technischen Lösung aus. Doch sein technischer Background, seine Erfahrung mit Feinmechanik, seine Musikbegeisterung und seine gestalterische Hand verbinden sich zu außergewöhnlichen und besonders gut „klingenden“ Produkten. Klingen soll ein Arm ja eigentlich nicht. Er soll einen Tonabnehmer möglichst störungsfrei führen können, damit der das Maximum an Informationen aus der Rille lesen und uns möglichst natürlich wiedergeben kann. Eine entscheidende Rolle kommt dabei der Bedeutung des Firmennames PrimaryControl zu. Damit meint Hemmen den so wichtigen ersten Schritt bei der Reproduktion von analogem Musikmaterial (Primary) sowie die Kontrolle dessen (Control). Das wurde oft beschrieben mit Slogans wie „garbage in, garbage out“ – Müll rein, Müll raus. Zudem verweist der Begriff PrimaryControl auch auf die Alexandertechnik, eine Methode zur ganzheitlichen Schulung und Neuausrichtung von Bewegungs- und Handlungsmustern. Ihr Begründer F. M. Alexander gebrauchte den Begriff „PrimaryControl“, um zu beschreiben, dass die Beziehung zwischen unserem Kopf und dem Nacken einen grundlegenden Einfluss hat und der dynamische Organisator für unseren gesamten Körpermechanismus und sämtliche Bewegungen ist. Hemmen sagt dazu: „Ich finde, hier liegen gewisse Parallelen in der Beschreibung vor und das war auch der Startpunkt für mein Logo.“ Bei jedem Produkt, das Hemmen entwickelt, achtet er ganz besonders auf drei Kriterien. Sein wichtigster Fokus – PrimaryControl eben – ist die Resonanz- und Energiekontrolle. Dazu die Masseverteilung in Bezug auf den Lagerpunkt. Und schließlich die lokale Herstellung in und um Amsterdam. Ich beginne mit dem ersten Punkt. Nachdem ich den PrimaryControl-Macher nun schon einige Jahre kenne, glaube ich, sagen zu können, dass er kein Mensch einfacher, schneller Lösungen ist. Hemmen recherchiert sehr lange über Materialien, die er verwenden möchte. Er prüft, verwirft und engt ein. Dann hört er immer wieder, was selbstverständlich sein sollte, es leider aber nicht immer ist. Und so fallen sehr viele Arbeitsschritte an, bis er mit seinem Ergebnis zufrieden ist. So ist es auch mit der Resonanzkontrolle des Arrow gewesen. Was beim fertigen Produkt nun elegant und schlicht aussieht, ist das Ergebnis eines jahrelangen Prozesses.

Die „feste“ Headshell lässt sich mittels einer Schraube an der Seite drehen, um den Nadelazimut, falls nötig, perfekt einstellen zu können

Wieder eine sehr feine Lösung: Die Gegengewichte werden mit einer Schraube eingedreht. Das funktioniert ausgesprochen feinfühlig und benutzerfreundlich

Das Tonarmrohr ist aus Aluminium und Carbon gefertigt, wobei das Aluminium mit dem Carbon beschichtet wird und nicht verpresst. Das Rohr ist relativ dünn und trotzdem innen bedämpft. In zahllosen Hörproben prüft Hemmen mit einem Stethoskop, welches Resonanzspektrum in die Basis abgeleitet wird – sein Ziel ist eine möglichst breitbandige Ableitung dorthin. Um die Abspieleigenschaften des Arrow testen zu können, hat er sich eine Art Ausleger gebaut und plane sowie verwellte LPs nur mit Leerrillen pressen lassen. Damit testet er das Verhalten des Arms in der Praxis und hat einen schier unglaublich wirkenden Wert erreicht: Die Auflagekraft des Arrow verändert sich während des Spiels nur um +/- 2,5/100 Gramm. Populäre Konkurrenzprodukte kommen gerade mal auf 0.5 – 0,8 Gramm! Rechnen Sie die Potenzen selbst aus, dann wird klar, woher die ungeheuer saubere und störungsarme Wiedergabe des Arrow rührt.

Apropos Wiedergabe. Als nächstes Top-System darf das Brinkmann ti sich mit dem Arrow bekannt machen. Sobald die Tonarmhöhe stimmt, denn da sind die beiden kritisch, scheint es sich dort ausgesprochen wohl zu fühlen: souveräne Abtastung bei niedrigem Rillengeräusch, flüssige Spielweise bei festem, tiefem Bass. Das schreit doch fast nach Hip-Hop und da kann ich mich auf Kendrick Lamar verlassen. Seine Veröffentlichungen wie To pimp a Butterfly (Aftermath / Interscope, D 2-LP, NL 2015) wird man in späteren Jahrzehnten in Museen zur US-amerikanischen Zeitgeschichte spielen, weil sie in einer selten gelungenen Mischung aus Rap, spoken word, sampling und famoser Musik vor allem den afroamerikanischen Alltag messerscharf dokumentieren. Eine gute Arm-System-Kombination ist hier stark gefordert: gesprochene Stimme, Gesang, sehr tiefe Bässe, oft synthetische Klänge – nichts bringt Arrow und Brinkmann aus der Ruhe und ich werde von diesem musikalischen Gesamtkunstwerk so gebannt, dass ich vergesse, mir zu einzelnen Stücken Notizen zu machen.

Aber der Arrow macht nicht nur visuell und klanglich Freude, er ist auch extrem leicht einzustellen und ungeheuer ästhetisch, dadurch dass er seine technischen Lösungen nicht ausstellt, sie im Gegenteil verbirgt. Das Headshell ist fest, der Azimuth lässt sich, falls nötig, dort mittels einer Schraube korrigieren. Die Höhenverstellung wird mit einer Madenschraube an der Basis vorgenommen, was hier exzeptionell gut funktioniert, da Hemmen eine Schraube mit Kunststoffkopf verwendet, die den Schaft nicht beschädigt. Das Antiskating hat er magnetisch ausgeführt, was viele Vorteile birgt: Man sieht es nicht, es ist berührungsfrei und fungiert dynamisch, sprich, es berücksichtigt besser als der klassische Typ mit Ausleger und reibendem Faden über einer Rolle die sich ständig verändernden Skatingkräfte über die Dauer einer Platte. Wieder verbindet er damit technische und ästhetische Aspekte sehr elegant. Die Einstellschraube sitzt im Kragen, der den Lift trägt, und wird schräg von vorne mit einem langen Inbusschlüssel gedreht, damit man mit dem Lifthebel nicht ins Gehege kommt. Das Tonarmkabel lässt er speziell für sich herstellen: Litzenanzahl, Material, Dielektrikum und Abschirmung sind ganz bewusst gewählt und werden natürlich nicht verraten. Was Hemmen verrät, ist, dass das Kabel eine Unterbrechung am Sockel erfährt und seine Kapazität komplett von den Headshellsteckerchen bis zu den Cinch-Steckern über die gesamte Länge nur 130 pF beträgt, was sehr, sehr niedrig ist. Apropos niedrig – ich komme zum zweiten wichtigen Entwicklungsprinzip Hemmens, der Masseverteilung in Bezug auf den Lagerpunkt. Der tiefe Schwerpunkt des Arrow ist gleichzeitig auch sein Lagerpunkt. Das Lager selbst ist anders als beim einpunktgelagerten Reference klassisch kardanisch ausgeführt. Eigentlich hatte Hemmen das Prinzip des Einpunktlagers beibehalten wollen, musste aber feststellen, dass die Konstruktion mit ihrer Komplexität ihn wieder in Richtung Reference führte. Bis zum ersten Arrow-Prototypen 2014 probierte er mehr als 30 verschiedene kardanische Lager aus. Jedes Einzelne wurde zerlegt, analysiert und erprobt. Übrig blieb ein hoch spezifiziertes Industrielager aus Edelstahl und Keramik, das zuerst gereinigt wird und sich dann fein geölt einlaufen darf, wofür er wieder eine eigene Vorrichtung gebaut hat.

Ein analoger Traum, optisch wie auch klanglich: PrimaryControl Arrow und Ikeda 9TS

Ich muss jetzt mehr Musik hören und zwar mit einem weiteren, ganz besonderen System – dem Kiseki Blue N.S. Damit hat die niederländische Firma nach den Erfolgen der 70er- und 80er-Jahre und ihrem langen Dornröschenschlaf einen formidablen Neustart hingelegt, was Ekkehard Strauß in image hifi 2/2016 eindrucksvoll dokumentiert hat. Der Arrow gehört ja mit seinen 17 Gramm effektiver Masse zu den schweren Armen, der sich an „hart aufgehängte“ Moving Coil Systeme, also solche mit niedriger Nadelnachgiebigkeit, richtet. Das Kiseki ist mit seiner Nadelnachgiebigkeit von 16 kein ganz hart aufgehängter Abtaster, doch wie oben schon angedeutet, lassen sich diese Werte nicht immer zu 100% verifizieren und so zählt vor allem der Höreindruck. Und da geht die analoge Sonne nun endgültig auf. I’m new here (XL Recordings XLLP471, LP, UK 2010), das Vermächtnis des großen Gil Scott-Heron, ist ein einziger großer, musikalischer und erzähltechnischer Traum: einatmen, ausatmen. Und genau das gelingt mit dem Kiseki so großartig. Erst gegen Ende von Seite 1 mache ich bei meinem Lieblingsstück „I’ll take care of you“ die Augen auf, weil ich wirklich kurz denke, Heron ist mit mir im Raum: Gänsehaut! Gar nicht leicht, wieder zu den letzten nüchternen Fakten zurückzukommen, aber ich verspreche Ihnen danach noch einen musikalischen Ausflug, den Sie nicht vergessen werden.

Vorher komme ich noch auf das dritte Arbeitsprinzip Hemmens zu sprechen: die komplette Herstellung seiner Produkte in den Niederlanden, möglichst nahe an seinem Wohnort Amsterdam. Nur so kann er die so wichtige Qualitätskontrolle optimal steuern. Also sucht er sich seine Zulieferer sehr sorgfältig aus, kommuniziert so lange mit ihnen, bis alle Seiten verstehen, was der andere will und baut so ein Vertrauensverhältnis zu ihnen auf, das er durch regelmäßigen, persönlichen Kontakt pflegt. Dazu muss man wissen, dass er seinen Reference-Arm bis vor Kurzem zu 100 % selbst hergestellt hat. Das konnte so nicht weitergehen, da der Arm aus zu vielen unterschiedlichen Materialien bestand und so aufwendig zu fertigen war, dass sein Stundenlohn deutlich unter den gesetzlichen Mindestlohn zu rutschen begann. Ich denke, diese Herausforderung muss jeder Kleinhersteller, im Grunde jeder Hersteller in den Griff bekommen, und das hat Hemmen inzwischen geschafft. Ich habe Ihnen noch ein besonderes Schmankerl angekündigt – meine absolute Traumkombination mit diesem Arm. Auch wenn ich zu jeder der Arm-System-Kombinationen andere Musik vorgestellt habe, habe ich Querchecks mit denselben LPs, erst dann bin ich in die Breite gegangen und habe andere Platten aufgelegt. Mit allen hier vorgestellten Kombinationen könnte ich nicht nur leben, nein, ich hätte mit viel Freude bis ans Ende meiner Tage eine Platte nach der anderen hören können und wäre nicht auf die Idee gekommen, mir über eine Variante Gedanken zu machen. Bis, ja bis mir der hochgeschätzte Kollege Strauß eine sehr lange Mail mit Fotos und ausführlichen Klangbeschreibungen sandte und einen Tonabnehmer ans Herz legte, der mir schon bei einer Veranstaltung in Krefeld äußerst positiv aufgefallen war – das Ikeda 9TS. Wie soll ich dessen Wirkung beschreiben? Erinnern Sie sich noch, wie Sie Ihre Frau das erste Mal gesehen haben? Wie sie den Raum betrat und Sie dachten: „Das ist sie.“ Genau so ging es mir mit der Kombination von Arrow und Ikeda 9TS. Arrow und 9TS gehen eine synergetische Ehe ein und das offen gestanden zu einem Preis, den ich bei dem Gebotenen für mehr als reel halte. Hampton Hawes, einer meiner Lieblings­pianisten, soll das illustrieren. Auf All Night Session! 2 with the Hampton Hawes Quartet (Contemporary S7546, Vinyl USA 1958) gibt es mit „Two Bass Hit“ eine Uptempo-Gemeinschaftskomposition von Dizzy Gillespie und dem Modern Jazz Quartet-Chef John Lewis. Hampton Hawes’ Piano perlt und glänzt, die Töne schwingen lange ein und aus, seine bluesig-souligen Verzierungen flirren im Raum. Im Hintergrund kann ich wie noch nie dem „walkenden“ Bass von Red Mitchell folgen. Und was mit dem Schlagzeug im Raum passiert, haut mich endgültig um: Woher kommt diese Rauminformation auf einmal? Ich höre, wie der Drummer Bruz Freeman seine Besen aufsetzt und schiebt, wie er lässig eine Bassdrumattacke einstreut, meine, dass er auf seinem Stuhl hin- und herrutscht, kann wirklich sehen, wo das Schlagzeug steht: Das ist eine einzige große musikalische Bewusstseinserweiterung! Phänomenal.

Der PrimaryControl Arrow ist der beste Tonarm, mit dem ich in meinem audiophilen Leben bisher das Vergnügen hatte zu arbeiten. Ich finde ihn wunderhübsch, er lässt sich wirklich leicht einstellen und bietet unterschiedlichsten MC-Systemen eine optimale Arbeitsbasis. August Macke schrieb einst: „Der Mensch äußert sein Leben in Formen. Jede Kunstform ist Äußerung seines inneren Lebens.“ Ich halte den Arrow für große Kunst.

PrimaryControl Arrow Tonarm

Effektive Länge: 266,5 mm

Überhang: 15,5 mm

Einbauabstand: 251 mm

Effektive Masse: 17 g

Kabelkapazität: 130 pF (gemessen von den Head- shellclips bis zu den Cinchsteckern)

Garantie: 2 Jahre Preis: 3300 Euro


Kontakt

www.primarycontrol.nl