Error icon

Keine Berechtigung! Sie werden zum Login weitergeleitet...

Yamamoto A06-2

Text von: Roland Kraft

Japanische Röhrenfreaks lieben alte deutsche Röhrentechnik. Und als bevorzugtes Objekt der Begierde gilt die direkt geheizte Triode AD1. Mit seiner auf diese Röhre hin optimierten Eintakt-Endstufe trifft Yamamoto also mitten ins Herz seiner röhrenbegeisterten Landsleute.

Mithilfe geeigneter Lautsprecher von mindes­tens 96 Dezibel Wirkungsgrad erschließt die Eintakt-Endstufe Yamamoto A06-2 das volle Potenzial der ab 1935 gebauten Röhre, für die heutzutage absolute Höchstpreise bezahlt werden. Serienmäßig liefert der deutsche Vertrieb eine Vaic-Variante mit AD1-Daten. Falls Sie das Original also gerade zur Hand haben sollten … Wer glaubt, für japanische Röhren­freaks wäre die Beschaffung uralter deutscher Röhren ein größeres Problem, der irrt. Es ist lediglich eine Frage des Geldes, sich beispielsweise mit der originalen Telefunken-Triode AD1 oder der womöglich sogar noch begehrteren RE604 zu versorgen, wobei gerade Letztere – Insider wissen es – nicht ohne Risiko ist: Korrosionseffekte an den Stiften ließen schon viele der teils 70 Jahre alten Röhren Luft ziehen, die empfind­lichen Heizfäden brechen beim Versand oder verlieren ihre Emissionsschicht durch unvorsichtiges erstes Anheizen. Auf NOS-Röhren spezialisierte japanische Händler verfügen dennoch über ein durchaus erstaunliches Angebot, was unter anderem daran liegt, dass hierzulande schon Röhrenaufkäufer unterwegs waren, als der deutsche Otto-Normal-Highender es noch für eine saugute Idee hielt, sich einen fetten japanischen Vollverstärker plus JBL- oder Infinity-Box zuzulegen. Es ist übrigens der nicht minder fette Witz, dass es sich bei besagten Aufkäufern normalerweise um genau dieselben Herrschaften handelte, die uns in Gestalt eines in Deutschland angesiedelten Vertriebs „moderne“ japanische Unterhaltungslektronik verkauften … Das so verdiente Zubrot kann so unbeträchtlich nicht gewesen sein, verzeichneten die damals noch vorhan­denen deutschen Röhrenhändler doch jede Menge asiatische Kundschaft, die ohne zu murren locker das 80-Mark-Schild auf einer originalverpackten AD1 wegsteckte … In Anbetracht des jetzigen Preisniveaus sollten besagte deutsche Händler – wenn es sie denn noch gäbe – eigentlich in Tränen ausbrechen, zumal der ausländische Kunde schon damals bereits auf dem Parkplatz entweder einen Lachkrampf bekam oder, eher seiner Herkunft gemäß, von einem Gefühlsausbruch in Form eines zutiefst befriedigten Lächelns heimgesucht wurde.

Dass man mitten in Japan, genauer gesagt in einer kleinen japanischen Röhrenverstärker-Schmiede, auf die Idee kommt, einen Amp gerade für die AD1 zu bauen, ist also nicht ganz so ungewöhnlich, wie man meinen könnte. Im kleinen Portfolio von Yamamoto befinden sich nur wenige weitere Verstärker, die – selbstredend in der unter harten Freaks ausschließlich gültigen Single-Ended-Schaltung – andere berühmte Leistungstrioden hofieren, nämlich die Ur-Röhre WE-205R, die ebenfalls amerikanische 45 und natürlich den Weltstar 300B. Der geneigte deutsche Kunde kann sogar, sofern er mit dem Lötkolben auf Du und Du steht, den bildhübschen 45er-Amp eigenhändig zusammenbraten – mit dem Hintergedanken, dass diese Röhre sogar via Online-Auktion noch als feines NOS-Exemplar zu haben ist, ohne gleich die Bank um Hilfe bitten zu müssen.

Mit der neuesten Version der A06-2 könnte man freilich auf den Gedanken kommen, Yamamoto standardisiere seine Treiberstufen. Zug um Zug setzt der Japaner nämlich nicht nur in seinem AD1-Verstärker auf die alte amerikanische Pentode 717A, eine UKW-Röhre, die wegen ihrer eigenwilligen, superkompakten Bauform zu den so genannten „Mushroom-Tubes“ zählt und einst eine Entwicklung von Western Electric war. Trotz des verhältnismäßig hohen Gitter-Wechselspannungsbedarfs der alten direkt geheizten Trioden genügt der AD1 eine einzige Verstärkerstufe mit der 717A, um quasi auf Touren zu kommen, sprich: satte vier Watt zu mobilisieren. Dass angesichts derart brutaler Leistungsentfaltung ausschließlich Lautsprecher mit sehr hohem Wirkungsgrad (mindestens 96 Dezibel pro Watt und Meter) als Spielpartner in Frage kommen, sollte glasklar sein.

Unter den beiden Abdeckungen befinden sich der Netztrafo, die beiden Ausgangsübertrager mit C-Kernen sowie Siebkondensatoren des Netzteils

Mit einem schönen roten Edelholzrahmen, offenkundig in modernster CAD-Manier gefertigt, sowie einem offenen Chassis entspricht die Yamamoto den optischen Anforderungen des Röhrenfans. Einen Stilbruch müssen wir dem an sich wunderschön gemachten japanischen Amp freilich anlasten: Die farblich eher ins Bräunliche tendierende Holzverkleidung der links und rechts auf dem Chassis befindlichen Trafo- und Kondensatorenverkleidungen will einfach nicht zum Holzrahmen passen – klarer Handlungsbedarf seitens des ansonsten durchaus stilbewussten Herstellers. Der weiß auch, dass Röhrenfans auf schöne Fassungen größten Wert legen. Als weiteres Firmen-Standbein fertigt man nämlich eine Riesenauswahl erstklassig gemachter Röhrenfassungen selbst für die abgefahrensten Röhren, darüber hinaus auch schöne Lötstützpunkte sowie Buchsen und Klemmen. Die sind übrigens nicht schnöde aus Messing, sondern aus massivem Kupfer, veredelt mit Silber- und anschließender Goldbeschichtung.

Ebenfalls auf Edelmetall verlässt sich die Verdrahtung des mithilfe der hauseigenen Lötstützpunkte gebauten Verstärkers, der teflon­isolierte Silberstrippen benutzt. Überhaupt spielt Teflon eine wichtige Rolle, etwa als Isolation in den ebenfalls bei Yamamoto hergestellten Trafos und Übertragern, zudem sitzt das moderne Material sogar im Luftspalt des Ausgangsübertragers, wo es die Vormagnetisierung des Trafokerns durch Gleichstrom verhindert. Über den gibt es auch Widersprüchliches zu berichten; während der Schaltplan eine – bei der AD1 durchaus übliche – Primär­impedanz von runden zweieinhalb Kiloohm angibt, spricht man in den Infos zum A06-2 von fünf Kiloohm, eine, milde ausgedrückt, sehr ungewöhnliche Lastimpedanz für die altehrwürdige Triode im Eintaktbetrieb. Die beiden Übertrager besitzen sekundär eine auf Acht-Ohm-Lasten optimierte Wicklung, alles andere, so der Vertrieb, bedeute eine teure Modifikation. „Ohne Probleme“, so die Unterlagen von Yamamoto, sollten aber Lautsprecher zwischen 16 und vier Ohm Impedanz laufen.

Sogar Buchsen und Klemmen stellen eigens angefertigte Spezialitäten ohne die Verwendung von Messing dar. Das schöne Rundinstrument zur Kontrolle der Ruheströme steht über das Bauteilprogramm ebenfalls einzeln zur Verfügung

Im Inneren des sauber gefrästen Holzrahmens wird mithilfe von Lötnagelleisten – für Selbstbauer auch käuflich erwerblich – frei verdrahtet. Auf Wunsch ermöglicht eine kleine Modifikation an der Fassung des Gleichrichters den Einsatz anderer Gleichrichterröhren

Bei der so genannten „Mushroom-Tube“ 717A ging es an sich um Hochfrequenztauglichkeit. Das Ergebnis war eine Röhre in extrem kompakter Bauform, bei der der Sockel größer ist als der eigentliche Glas-„Pilz“

Zwei NOS-Beispiele der AD1: links die Tungsram-Röhre, rechts eine Valvo. Man beachte die unterschiedliche Aufhängung der Heizfäden oben in den Röhren

Ein an klanglich entscheidender Stelle sitzender Ein-Mikrofarad- Kondensator wurde komplett in edles Hartholz verpackt. Ob es hilft?

Beide Endröhren werden mit Gleichspannung geheizt. Für die Vier-Volt-Heizung kommen schnelle Dioden zum Einsatz. Die Lötleisten werden ebenfalls von Yamamoto gefertigt und bestehen aus einem Holz/Kunststoff-Verbundmaterial

In einer Subchassis-Platte montiert, weisen die AD1-Fassungen sogar vergoldete Kontaktfedern auf. Zusammen mit einem beein- druckend umfangreichen Sortiment weiterer Röhrenfassungen stellt das edel gemachte Röhrenzubehör ein weiteres Geschäfts-Standbein Yamamotos dar

Schaltungstechnisch birgt die A06-2 keine großen Geheimnisse, wenngleich die Verwendung der „octal-shell mushroom-top pentode“ 717A schon sehr ungewöhnlich ist; meines Wissens nach wurde die 1943 vorwiegend für hoch- und niederfrequente militärische Zwecke entworfene Pentode noch nie in neueren Röhrenverstärkern eingesetzt. Gefertigt wurde die 717A von Tung-Sol für WE, weshalb gleiche Röhren sowohl mit „Tung-Sol“- als auch mit „Western“-Aufdruck daherkommen, militärische Ersatzteil-Ansprüche führten laut WE-Spezialist Bernd Magers dazu, dass über die Jahre erhebliche Stückzahlen gebaut wurden. In unserer AD1 kommt die Pentode normal beschaltet zum Einsatz, allerdings wird die Gitter-Zwo-Spannung mittels Zenerdioden stabilisiert. Dem klanglich wichtigen Koppelkondensator zum Gitter der AD1 verpasste der Japaner ein neues Kleidchen aus Ebenholz, ansonsten beeinhaltet das Teilensemble feine Folien-Kapazitäten sowie spezielle Widerstände von Dale. Wo der Querschnitt der Teflon-isolierten Leitungen zu gering erscheint, werden 6N-Kupferdrähte verwendet. Im Gegensatz zum Vorläufermodell – dort waren auch noch ganz andere Treiberröhren verbaut – läuft die AD1 nun mit dem so genannten „Auto-Bias“, also Gitterspannungserzeugung via Kathodenwiderstand, wobei sich die Arbeitspunkteinstellung an AD1-Normdaten hält; parallel zum Kathodenwiderstand liegt dabei ein hübsches kleines Rundinstrument zur Ruhestrommessung, das wahlweise auf die eine oder andere Röhre umgeschaltet werden kann und sogar sehr präzise anzeigt.

Die vom deutschen Vertrieb JAC Music mitgelieferte „AD1“ ist ein inzwischen ebenfalls schon älteres, schön gemachtes Vaic-Modell mit Mesh-Anode und AD1-Daten. Auch der benötigte Heizstrom hält sich exakt an die AD1-Vorgaben, so dass sich trotz einer passiv gesiebten Heizspannung – hier werden als Gleichrichter offenbar schnelle Schottky-Dioden eingebaut – sehr genau vier Volt einstellen. Die Vier-Volt-Heizung gilt unter einigen, aber nicht allen Triodenfreaks übrigens als einzig „richtige“ Heizung (anstatt 2,5 oder fünf Volt), da die Geometrie des Heizfadens (Kathode), also Länge und Durchmesser, in einem besseren Verhältnis zur Versorgungsspannung stehen soll … Also mit ein Grund für den Hype auf deutsche Vier-Volt-Röhren. Hier war natürlich wichtig, dass NOS-AD1 einfach eingesteckt werden können und sich trotz der üblichen Toleranzen und Bauartunterschiede der Röhren zwischen 50 und 60 Milliampere Ruhestrom einstellen. Den inzwischen in guter Qualität schon schwer erhältlichen Außenkontakt- oder „Topf“-Sockel der AD1 baut Yamamoto in Keramik wunderbar nach, sogar einschließlich vergoldeter Kon­takte.

Im Netzteil kommt die alte amerikanische Doppelweg-Gleichrichterröhre „80“ zum Einsatz, wobei dieser Glaskolben mithilfe einer kleinen Modifikation und eines verdammt cleveren achtpoligen Yamamoto-„Multi“-Sockels etwa durch die deutschstämmige RGN 1064 zu ersetzen sein soll. Mir persönlich kommt Letztere – angesichts des Strombedarfs der beiden AD1 – zwar ziemlich knapp dimensioniert vor, aber nun ja … Ein bisschen Toleranz steckt freilich noch drin, da die Gleichrichterröhre nicht ihrer maximalen Spannungsbelastung ausgesetzt wird. Wie häufig in solchen Amps üblich, benutzt das Netzteil in der Anodenspannungserzeugung eine Siebspule – hier zwölf Henry groß –, die Heizung der beiden AD1 erfolgt mit Gleichspannung durch sekundäre Trafowicklungen mit Mittelanzapfung. Den Netztransformator baut Yamamoto übrigens selbst, auch er kann mit einem Luftspalt im Blechpaket des Kerns aufwarten, der verhindert, dass etwaige Gleichspannungsanteile im Netz den Trafokern aufmagnetisieren.

Abgesehen von einem ganz kurzen, völlig unschädlichen Hochlauf-Brummen benimmt sich die A06-2 in Bezug auf Nebengeräusche absolut vornehm. Ihre Eingangsempfindlichkeit liegt im normalen Rahmen, der Eingangswiderstand ist mit 200 Kiloohm röhrenverstärkertypisch hoch und wird in diesem Fall auch nicht von einem Eingangspoti determiniert. Und in der Praxis stellte der Betrieb an einem 16-Ohm-Lautsprecher auch kein Problem dar. Wer sich angesichts der höchst überschaubaren vier Watt Leistung Sorgen macht, der sei beruhigt: Steht eine Box mit angepasstem Wirkungsgrad zur Verfügung, bleibt der Unterschied zwischen den vier Watt der AD1 und den sechs bis acht Watt einer 300B rein akademischer Natur. Liegt dagegen „hinten“ weniger Wirkungsgrad vor, so werden weder AD1 noch 300B vernünftig laufen. Mit den 96 Dezibel pro Watt und Meter des Auditorium-23-Lautsprechers „Rondo“ kam die Yamamoto jedenfalls glänzend zurecht – nötigenfalls sind so sogar nur mehr eigenheimtaugliche Pegel machbar. Als eine der linearsten Trioden, die jemals gebaut wurden – die Kennlinien der AD1 sind absolut vorbildlich – wird der alten Röhre zu Recht ein sehr klarer, geradliniger, obertonreicher Klang zugeschrieben. Der Postvariante der AD1, der Ed, bescheinigte ein japanischer Röhrenguru sogar einmal, „frei von überflüssigem Klang“ zu sein. Was sich in der Hörerfahrung auch bestätigt, geht dieser Amp doch ein gutes Stück „trockener“ ans Werk, als man es von einigen Triodenverstärkern gewohnt ist. Der AD1 mangelt es dabei keineswegs an Farbe und Emotionalität, sie wirkt vielmehr eine Spur distanzierter, freilich so, dass die Reproduktion konzentrierter und ernsthafter zu sein scheint. Wer Triodenverstärker gut kennt, so etwa die stets freundliche, üppige, raumfüllende, voluminös-warme 2A3, der dürfte der Yamamoto getrost eine gediegene Portion Humorlosigkeit bescheinigen – freilich eine, die weit mehr Spannung und Inhalte intakt lässt, den Zuhörer viel enger ans Geschehen bindet.

Dies ist, so viel steht fest, kein Vertreter irgendeiner Form von „Röhren“- oder gar „Triodensound“, sondern vielmehr ein Röhrenverstärker mit sehr entschiedenem, glockenklarem Klang, der sich auf schon unheimliche Art und Weise aus dem Geschehen zurückzieht, dabei den Zuhörer nicht minder unheimlich zur Hinwendung an die Musik zwingt.

Bei vorwiegend der klassischen Musik zugewandten Nutzern in Japan genießt die AD1 gerade deswegen einen geradezu legendären Ruf, einen, der sich offenkundig nicht auf Eigenklang, sondern auf der scheinbaren Durchlässigkeit eines gut gemachten AD1-Verstärkers gründet. Damit wir uns jetzt nicht falsch verstehen: Die A06-2 ist beileibe kein Partykiller oder eine Spaßbremse. Aber: Sie richtet sich eher an den gereiften Trio­den-Kenner, der auf jede Art von Stimmungs­mache und Selbstdarstellung – die ja auch le­gitim ist – getrost verzichten kann. Die (Röh­ren-)Philosophie dieses höchst erstaunlichen Verstärkers ist glasklar, keine Philosophie zu vertreten. Und so ist die Yamamoto mit einem guten Exemplar der AD1 im Sockel eine absolut präzise Musikmaschine ersten Ranges, allerdings eine, die die Seele überwältigend anzurühren versteht. Habe ich übrigens schon erwähnt, dass eine schöne alte NOS-AD1 im Sockel zwar weniger spektakulär als die un­benommen feine Vaic-AD1 aussieht, aber durchaus nochmals eine Steigerung darstellt?

Geräteinformation

Leistung: 2 x 4 Watt

Eingänge: 2 x Cinch

Ausgänge: 2 x Polklemmen

Röhrenbestückung (im Lieferumfang): 2 x AD1 (AVVT, Mesh), 2 x 717A (NOS, Tung-Sol), 1 x 80 (NOS, Sylvania)

Maße (B/H/T): 46/19/34 cm

Gewicht: 18 kg

Garantiezeit: 24 Monate

Preis: 3800 Euro

Kontakt

www.jacmusic.com