Goldster Audio Concertino
Text von: Michael Vrzal
Dem iPod sei Dank. Ausgerechnet eine Kombi aus Röhrenverstärker und Breitbandlautsprecher verdankt ihm ihre Existenz, stilsicher verpackt in die Farbe des dritten Millenniums – strahlendes Weiß.
Dass sich Manufactum noch nicht bei Goldster-Audio gemeldet hat, grenzt an ein Wunder. Ist im Umfeld von Kohlefadenlampen, aus dem Vollen gefrästen Espressomaschinen und Bauhaus-Reissues eine passendere Stereoanlage denkbar als die Concertino? Schließlich bekennt man sich im Gute-Dinge-Kaufhaus schon seit einer Weile zur Gegenwart und führt mittlerweile sogar Computer im Sortiment, wenngleich auch in einem Design, das in ihrem Inneren handgedengelte Leiterbahnen vermuten lässt. Schaut euch dagegen die Concertino an: Röhren und Papier-Breitbänder! Kongenial iPod-Moderne und skandinavische Sachlichkeit verbindendes Design! Grundsolide deutsche Fertigung! Kein Wunder, dass sich die Kunde von dem kompakten Gespann aus perfekt aufeinander abgestimmtem Verstärker und Lautsprechern in Windeseile nicht nur unter Apple-Freunden verbreitet hat.
Wenn sich schon zwei audiophile Industriedesigner vom iPod inspirieren lassen, dann ist allerdings auch eine Geschmackskorrektur zum grassierenden weißen Plastik-Gadget-Wahn zu erwarten. Goldster-Audios Concertino würde vermutlich auch Apples Designer-Legende Jonathan Ive nicht von der Zeichentischkante stoßen. Weil die Mini-Anlage in ihrer eleganten Wertigkeit die versammelte klingende iKonkurrenz zu Plastikspielzeug degradiert. Und weil sie vier glühende Trümpfe im Ärmel, pardon, im Gehäuse hat.
Die „vermutlich teuersten iPod-Lautsprecher der Welt“ (Zitat aus zahlreichen Internet-Magazinen) kommen aus München. In einer Mischung aus Ehrfurcht und Ratlosigkeit kapriziert sich die Öffentlichkeit seit dem Erscheinen der Concertino-Anlage zumeist auf den nicht unbeträchtlichen Preis. Dabei verrät die stolze Summe, dass es sich hier zur Abwechslung mal nicht um ein Fun-Produkt handelt, sondern um handfeste HiFi-Kunst „made in Germany“.
Alexander Mangold und Peter Förster kennen sich seit Studienzeiten, verloren sich auch nach dem Einstieg in so unterschiedliche Branchen wie Automobilindustrie und Mediendesign nicht aus den Augen und fanden 2004 durch die Idee zur Concertino-Combo wieder zusammen. Ihrer stilvollen Minianlage sieht man die Handschrift professionellen Industriedesigns durchaus an. Das frontseitige Benutzerinterface beschränkt sich auf einen Knopf zum Einschalten, einen Knopf zum Lauterdrehen und vier Fensterchen zum Röhrengucken. Ansonsten verrichtet alles, was eine ästhetische Seele mit zwei linken Händen beunruhigen könnte, seinen Dienst unsichtbar unter einer iPod-weißen Metallhülle.
Rotstifte scheinen vom Entwurf des Concertino-Gespanns ausgeschlossen gewesen zu sein. Das Chassis: aus dem Vollen gefräst. Das Innenleben: so sauber gefertigt, dass beim allfälligen Staubwischen der stolze Eigner auch die Glasscheiben der Röhrenbehausung gerne polieren wird. Das Gehäuse ist makellos aus Aluminium gefertigt und per Hand mehrschichtig weiß lackiert, ebenso die Metallhülle der Breitband-Lautsprecher. Im Betrieb klappert, wackelt, rauscht, brummt oder knackt – nichts. Das nennt man High End.
Der Verstärker ist, ganz im highendigen Sinne, räumlich in die Sektionen Elektronik und Netzteil aufgetrennt. Die stecken in separaten Gehäuseteilen und halten nur über einen schmalen Steg miteinander Verbindung. Rundum eingesetzte Glasscheiben befriedigen voyeuristische Bedürfnisse und CE-Bestimmungen gleichermaßen, wobei nur das gezeigt wird, worauf es ankommt – die Röhren. Profanes wie Trafos und Kondensatoren verdecken Milchglasscheiben.
Das ungemein kompakte Auftreten der Concertino-Anlage verdankt sich einer Besonderheit, die zu Prä-HiFi-Zeiten gelegentlich gesichtet wurde, heute aber praktisch in Vergessenheit geraten ist: Die Übertrager des Röhrenverstärkers sind in die Lautsprechergehäuse verlagert. Die technische Begründung für diese archaische Bauform ist der Wunsch nach einer hochohmigen, leicht treibbaren Übertragungsstrecke – gut 600 Ohm beträgt die Impedanz in diesem Fall. So kann das Lautsprecherkabel extrem dünn und damit flexibel ausfallen, was die angepeilte designorientierte Kundschaft vermutlich eher goutiert als die gemeine querschnittstarke High-End-Strippe. Von den vier Pins der exquisiten verschraubbaren Lemo-Steckverbinder werden nur drei genutzt: Neben Plus- und Minuspol führt eine Erdungsleitung zur Sekundärwicklung des Übertragers. Aus diesem Grund ist das Gespann aus Concertino-Amp und -Boxen auch unbedingt als Einheit zu betrachten und auf gar keinen Fall einzeln mit Fremdfabrikaten kombinierbar.
Die Concertino-Anlage ist in der Tat alles andere als irgendein weiß lackierter Röhrenverstärker mit passenden Boxen – solche gibt es ja auch, doch Röhrenentwickler Mangold hat sich noch ein paar Gedanken mehr gemacht.
Der Verstärker kombiniert eine Vorstufe in Anodenfolger-Schaltung mit einer SRPP-Endstufe. Da horcht der Kenner auf – in Vorverstärkern ist die Shunt-Regulated-Push-Pull-Bauweise zwar nicht an jeder Straßenecke zu haben, aber auch nicht außergewöhnlich, in Fernost sogar ganz besonders beliebt. Aber als Endstufe? Sicher, gibt Alexander Mangold zu Protokoll, der Wirkungsgrad dieser Schaltung sei tatsächlich nicht der Beste, dafür könne sie aber mit höchst willkommenen Eigenschaften wie Klirrarmut und niedriger Ausgangsimpedanz punkten. Dank dessen erfülle ein SRPP-Verstärker problemlos den Wunsch nach gegenkopplungsfreiem Betrieb und dem resultierenden dezidiert „röhrenhaften“ Sound.
Im Detail: Das ankommende Line-Signal empfängt pro Kanal eine Verbundröhre des Typs ECL82, die in ihrem Glaskolben ein Trioden- und ein Pentodensystem vereint. Die Triode stellt die spannungsverstärkende Eingangsstufe dar. Nun folgt eine sanfte, auf den Frequenzgang des Lautsprechers abgestimmte passive Equalisierung, nach der das Musiksignal durch die als Triode geschaltete Pentode geschickt wird, die als niederohmiger Treiber die Leistungsröhren bedient. Dort kommen Doppeltrioden des Typs 6AS7 zum Einsatz – in der erwähnten SRPP-Schaltung. Push-Pull – der Breitbänder ist also zwischen den Trioden „eingeklemmt“. Ohne perfekt abgeglichene Triodensysteme wäre es da schnell aus mit der Verzerrungsarmut, weswegen penible Selektion erforderlich ist. Mangold spricht von 50 Prozent Ausschuss, trotz der insgesamt sehr guten Qualität der verwendeten russischen Svetlana-Röhren. Über einen Kondensator ausgekoppelt, erreicht das Musiksignal schließlich die Ausgangsübertrager in den Lautsprechern.
Der Breitbänder in den zierlichen Concertino-Lautsprechern hat historische Gründe: „Das gehört sich bei Trioden einfach so“, heißt es von Entwicklerseite. Klar – wer wird schon die kostbare Hand voll Watt durch leistungsfressende Frequenzweichen dezimieren wollen? Das eingesetzte Chassis ist asiatischer Herkunft und per Gehör aus einer Vielzahl von Bewerbern ausgewählt worden. Da von einem solchen Treiber zwar Spielfreude und tonale Homogenität, aber keinesfalls die messtechnische Perfektion moderner computeroptimierter Mehrwegesysteme zu erwarten sind, stellt die Frequenzgangkorrektur im Verstärker eine höchst sinnvolle Maßnahme dar. Schließlich werden Leistungssektion und Übertrager auf die Art von sinnlosen Tiefstfrequenzen entlastet. Resultat ist eine angegebene Frequenzgangabweichung von plus/minus drei Dezibel – nicht übel. Bassreflexunterstützt steigen die Boxen subjektiv erstaunlich tief in den Frequenzkeller, erreichen laut Papier ehrliche 80 Hertz. Vom Klangvolumen der unscheinbaren Wandler darf man sich getrost überraschen lassen.
Zwei Dinge sollte man der Concertino gönnen. Erstens: einige Minuten Stabilisierungszeit nach dem Einschalten – der Verstärker kommt nämlich ohne per Relais geschaltete Hochlaufphase aus. Zweitens: eine gehörige Einspielzeit. Warum nicht mal wieder die 20, 30 Gigabyte des iPods von vorn bis hinten durchhören? Bestimmt stößt man dabei auf längst vergessene Lieblingstitel. Außerdem ist der klangliche Fortschritt nach der Prozedur unüberhörbar. Dynamisch und tonal geraten die Dinge erst nach etwa 100 Stunden so weit ins Lot, dass auch das Gehör den highendigen Anspruch der Münchner Edelminis goutiert.
Angesichts des niedlichen Formats und der gummifüßchenbewehrten Lautsprecher ist die Verlockung groß, die Concertino-Anlage auf einem Sideboard oder im Regal aus dem Weg zu räumen. Sofern es der Innenarchitekt irgendwie erlaubt: Tun Sie das nicht!
Wie alle guten Kompaktwandler benötigen auch die Concertino-Boxen zweierlei: festen Stand und Freiraum rundherum. Kaum zu glauben, wozu sie in der klassischen audiophilen Dreiecksaufstellung in der Lage sind. Die anfängliche Sorge, man könnte den fragilen Papiermembranen allzu leicht das Licht ausblasen, erweist sich schnell als grundlos. Partybeschallung ist zwar nicht gerade ihr Metier, dagegen gelingt dem Trio die pegelmäßig überzeugende Darstellung von Jazz-Combos und kleinen bis mittelgroßen Klassik-Ensembles ohne Mühe.
Also: Wer es wirklich wissen will, stellt die Boxen auf stabile Ständer, sorgt für eine Position auf Ohrhöhe und deutliche Einwinkelung. Dank der fünf Meter langen Lautsprecherkabel bleibt genügend Freiheit für die Positionierung des Verstärkers. Die Quelle: Sicher, mit einem iPod, am besten im Dock mit Fernbedienungsmöglichkeit, kommt diese Minianlage schon verdammt sexy rüber. Aber – an dieser Stelle wird der Innenarchitekt Widerspruch einlegen – Tatsache ist, die zwei rückwärtigen, per Kippschalter wählbaren Cinch-Eingänge stehen jedweden audiophilen Quellen offen. Also schließen wir einen klassischen CD-Player an und fühlen der Goldster-Combo auf den Zahn.
Die Entwickler hatten ein Ziel. Das lautete: auf einfache Weise den Hörer an die Faszination von Trioden-Verstärkern heranzuführen. Das Ziel haben sie erreicht. Bestes Beispiel ist die strahlende, energiegeladene Wiedergabe eines Klaviers – hier kommt die Synergie aus Trioden-Endstufe und Breitbänder voll zum Tragen. Rotiert Swingendes oder gar Rockiges im Player, dürfte manchem die Kinnlade herunterklappen, so unbekümmert legen die Minis los. Wohlgemerkt: Wir haben es hier mit einem 10-Zentimeter-Pappchassis zu tun. Das hat, trotz Equalisierung, einen prinzipbedingten Sound, kann, will und soll auch gar nicht mit konventionellen Zwei-Wege-Kompakten konkurrieren. Umso erstaunlicher ist es, dass hier subjektiv nichts fehlt und sich der sinnliche Vintage-Klang in kürzester Zeit derart natürlich ans Ohr schmiegt, dass vollste Zufriedenheit einkehrt.
Ist nicht Vinyl gerade wieder stark im Kommen, besonders bei der jungen, stilbewussten, digital sozialisierten Generation? In deren Haushalten gehört eine portable Jukebox wie der iPod doch ohnehin zur Grundausstattung. Dazu noch einen ebenso schlichten Plattenspieler angeschlossen, vielleicht einen schnörkellosen Rega, selbstverständlich in Weiß – perfekt. Und zwar nicht nur optisch. So ist Goldster Audios Concertino der erste Schritt zu einer nachhaltigen audiophilen Infektion. Jede Wette.
Geräteinformation
Verstärker: Class-A-Trioden-Röhrenvollverstärker
Röhrenbestückung: pro Kanal 1 x ECL 82/6BM8 Verbundröhre, 1 x 6AS7 G Doppel-End-Triode
Ausgangsleistung: 7,5 Watt
Eingänge: 2 x Line (Cinch), vergoldet
Ausgänge: 2 x Lautsprecher (Schraubstecker), vergoldet
Leistungsaufnahme: 190 Watt
Maße (B/H/T): 34/18/16 cm
Gewicht: 8 kg
Lautsprecher: Ein-Weg-Breitband-Lautsprecher mit integriertem Eingangsübertrager, Bassreflex
Empfindlichkeit: 88 dB/W/m
Nennimpedanz: 600 Ohm
Anschlüsse: Schraubstecker, vergoldet
Maße (B/H/T): 16/29/16 cm
Gewicht: 4,2 kg/Stück
Besonderheit: Lieferung inkl. einem Kabel Mini-Klinke auf RCA-Cinch zum Anschluss des iPod. iPod und iPod-Dock nicht im Lieferumfang enthalten
Garantiezeit: 24 Monate
Preis: 3200 Euro
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