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Schick Liebenthal – moderne Klassiker

Text von: Ekkehard Strauss

Die Nadel senkt sich in die Rille, eine gespenstische Ruhe stellt sich ein, bis plötzlich majestätisch die Musik in ihrer ganzen Größe erklingt. Mein Blick ruht auf einem 12“-Arm, der auf einem Garrard 301 montiert ist – eine Kombination, die einen wichtigen Teil der audiophilen Kultur ausmacht. Schön, dass mit Thomas Schick ein Entwickler die Szene bereichert, der uns diese Klangkultur zurückgibt.

Thomas Schick ist ein sympathischer Rheinländer, der nie um einen Spaß verlegen ist...

An einem sonnigen Freitag führt mich mein Weg ins nördliche Umland von Berlin. Auf dem Programm steht ein Besuch bei Thomas Schick, der vor knapp zwei Jahren die Hektik der Hauptstadt gegen das entschleunigte Leben auf dem Lande eingetauscht hat. Viele haben von Thomas Schick wohl zum ersten Mal auf der HIGH END in München bei den unvergesslichen Vorführungen im Silbatone-Raum Notiz genommen, wo er neben Frank Schröder in schöner Regelmäßigkeit für das analoge Frontend der ultrararen Western-Electric-Systeme zuständig ist, die die koreanische Firma dort neben ihren eigenen Geräten ausstellt. Insidern der Analog-Szene ist der Name Thomas Schick freilich schon seit 1999 bekannt.

Ein großer Teil der Garage im Hause Schick wird den wirklich wichtigen Dingen gewidmet – Hochwirkungs grad-Systeme sind eine große Leidenschaft des Hausherren

Ein wenig aufgeregt bin ich, denn schließlich ist ein Besuch bei einem Entwickler immer eine besondere Angelegenheit. Wer von uns fragt sich nicht, womit die kreativen Köpfe der Szene selbst Musik hören, wo ihre Leidenschaften im und vor dem Plattenregal liegen und wie sie wohl über ihre eigene Branche denken? Berlin liegt schnell hinter mir und der Horizont wird nun von ausgedehnten Alleen gesäumt, die sich fast wie ein gotisches Kirchenschiff über die Straße erheben. Nach knapp 50 Kilometern und kurzer Suche in Liebenthal – so der Name des neuen Kompetenzzentrums für analoge Audiotechnik, der mittlerweile auch Teil des Firmenlogos ist – habe ich das Haus gefunden. Bereits kurz nach dem Betreten des alten Gehöfts lässt sich erahnen, wie im Inneren der audiophile Hase läuft: Durch das Tor einer halb offenen Scheune fällt mein Blick auf zwei riesige Hornmünder, die keinen Zweifel daran lassen, dass Thomas Schick ein Faible für Hochwirkungsgradtechnik aus längst vergangenen Tagen hat. Was werden wohl die Dorfbewohner angesichts solcher Gerätschaften auf dem Grundstück von ihrem in der Audioszene prominenten neuen Nachbarn denken?

Ein moderner Klassiker, Schick 12“, hier der Lagerblock, feinste Verarbeitung und eine Reduktion auf das Wesentliche zeichnet die Tonarme aus

Mich begeistern die 12"-Tonarme aus dem Hause Schick schon seit einer ganzen Weile. Wie sich bei einer ausführlichen Hörsession vor Ort wieder einmal zeigen wird, eilt ihnen ganz zu Recht ein legendärer Ruf voraus. Weit entfernt davon, als letzter Schrei in der wieder erstarkten Analog-Szene zu gelten, sind sie moderne Klassiker, die dem Vinyl-Fan den Blick auf das Thema Tonarm erheblich erweitern können. Thomas Schick führt mich durch das noch nicht ganz fertig umgebaute Haus direkt ins Dachgeschoss, in den Rohbau eines Hörraumes, der selbst einen gestandenen HiFi-Verrückten wie mich umhaut. Hier entsteht über die gesamte Hauslänge ein Klangtempel, in dem der Entwickler ein Western-Electric-30154-Hornsystem installieren wird, um es auf eine Weise genießen zu können, wie es nur ganz wenigen von uns vergönnt ist. Derartige Lautsprecher haben in einer normalen Wohnung allein aufgrund des meist viel zu geringen Hörabstandes keine Chance, ihre Qualitäten wirklich auszuspielen. Platz ist im Fall solcher Beschallungssysteme schlichtweg durch nichts zu ersetzen – und davon hat der Hausherr hier mehr als genug. Daneben wird der Raum auch Teile der Produktentwicklung und Fertigung beherbergen, was dem Konstrukteur die denkbar kürzesten Wege zwischen einer Idee, ihrer Umsetzung und der Überprüfung der klanglichen Wirkung im eigenen Referenzsystem ermöglicht.

Commonwealth Reibrad Motoreinheit in einer Schick Polymer Laufwerks-Zarge

Ursprünglich kommt Thomas Schick aus der professionellen Videotechnik, hat viele Jahre als Cutter gearbeitet und war daneben für die Schulung an den Videoschnitt-Workstations des US-amerikanischen weltweiten Branchenführers Avid zuständig. Aufgrund dieser Erfahrungen ist er in der Lage, technisch komplexe Zusammenhänge sehr verständlich zu erklären, eine Eigenschaft, die man bei Entwicklern nicht allzu häufig findet. Dies machte es mir leicht, auch während des Fotografierens jederzeit thematisch am Ball zu bleiben, wenn er die Ideen und Konzepte hinter seinen Produkten erläuterte, während ich mit den Lichtgegebenheiten kämpfte. Zudem hat der gebürtige Rheinländer eine offene und freundliche Art, die ihn die Dinge voller Humor auf unglaublich sympathische Weise darstellen lässt. Nie ist er um einen coolen Spruch verlegen und behält erfrischender Weise bei aller Professionalität immer den nötigen Abstand. Thomas Schicks Werdegang auf dem Gebiet der analogen Audiotechnik begann einst just an dem Punkt, an dem die meisten anderen Hersteller mit ihrem Programm aufhörten – bei der besagten, im Aussterben begriffenen Gattung der langen Studio-Tonarme. Ortofon stellte die Fertigung des RMG 309i Ende der 1990er-Jahre ein, SME folgte dem Beispiel und nahm den legendären 3012 aus dem Programm. Im Hause EMT dachte damals niemand an die Wiederauflage des 997-Tonarms. So war der Fan klassischer Studio-MC-Tonabnehmer, zu denen beispielsweise Ortofon-SPU-Systeme zählen, die ihr volles Potenzial gerade mit langen, schweren Tonarmen auszuschöpfen vermögen, auf den Gebrauchtmarkt angewiesen. Da solche Vintage-Tonarme meist schon ein langes Leben hinter sich haben, ist in diesen Fällen fast immer eine mehr oder weniger aufwendige Restauration angesagt – stellvertretend seien hier die Stichworte Neuverkabelung und Lagerrevision angeführt. Angesichts dieser unbefriedigenden Situation beschloss Schick, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Das war die Geburtsstunde des Schick-12-Tonarms. In einer Zeit, in der sich ein solches Produkt nur an ausgemachte Freaks richtete, ein Vinyl-Revival nicht einmal im Ansatz zu erkennen war und eher Lieder auf den endgültigen Untergang der Analogschallplatte angestimmt wurden, stellte dies zweifelsohne einen mutigen Schritt dar. Thomas Schick ließ sich davon aber nicht beirren und konnte sich aufgrund der außerordentlichen Qualität und des mehr als fairen Preises mit seinem langen Tonarm schnell nicht nur auf dem deutschen, sondern auch auf dem internationalen Markt etablieren. Der Arm wurde ihm von der ausgetrockneten Szene geradezu aus den Händen gerissen und entwickelte sich bald zu einem Kultobjekt rund um den Globus. In Anbetracht des Preis-Leistungs-Verhältnisses mussten Vinyl-Fans nicht lange überlegen, ob sie sich mit ungewissem Ausgang an die Restaurierung eines eBay-Fundes machen oder einen neuen Schick-Tonarm zulegen sollten. Thomas Schick wäre natürlich nicht Thomas Schick, wenn er nicht in Sachen Lagertechnik und Armrohrbedämpfung den technischen Stand von heute in seine Produkte einfließen ließe, sodass ein Schick-12"-Arm den SPU-Tondosen aus dem Hause Ortofon eine Detailwiedergabe ermöglicht, die man ihnen aufgrund der Erfahrungen mit anderen Tonarmen nicht zutrauen würde. Ganz bewusst verzichtet er bei seinem Arm auf alles, was man nicht zwingend zur Abtastung einer Schallplatte benötigt. Beim Anblick eines Schick 12 wird einem daher klar, was die Maxime „form follows function“ bedeutet. Die Tatsache, dass man kaum einen dieser Tonarme auf dem Gebrauchtmarkt findet, zeigt im Übrigen, wie zufrieden die Nutzer mit diesem außergewöhnlichen Produkt sind. Lagerblock, Schaft und Gegengewicht können in drei verschiedenen Oberflächenveredelungen bestellt werden. Dazu hat der Käufer noch die Wahl zwischen zwei Geometrieauslegungen entsprechend den beiden verschiedenen Ortofon-SPU-Typen A- und G-Shell. In diesem Zusammenhang zeigte mir Thomas Schick eine Sonderanfertigung, bei der der gesamte Arm inklusive des Armrohrs schwarz eloxiert ist. Ich kann mir nicht helfen, das Ding sieht einfach ultracool aus. Im Geiste montiere ich dieses matte Glanzstück auf eine weiße Hochglanzzarge, die einen Garrard 301 in Hammerschlag-Grau aufnimmt. Thomas weckt mich aus meinen Träumen, indem er mir seinen neuen 9,6"-Arm in die Hand drückt.

Nagaoka DJ Umbau – Thomas befreit das MM-System von allen resonierenden Gehäuseteilen. Ein Spaßmacher zum Freundschaftspreis

Da naturgemäß nicht jeder Analog-Liebhaber ein 12"-fähiges Laufwerk sein Eigen nennt, was auch der überschaubaren Anzahl auf dem Markt angebotener Modelle dieser Laufwerkskategorie geschuldet ist, kam Thomas Schick letztlich nicht umhin, dem langen Studio-Arm eine kürzere Variante zur Seite zu stellen. Dabei hat er sich bei der Auslegung des 9,6"-Armes allerdings auch noch von einem anderen Umstand leiten lassen, was uns geradewegs zu den Studio-Laufwerken von EMT führt: Der Schick 9 ist in allen Dimensionen so konstruiert, dass man ihn ohne Umbaumaßnahmen auf einem EMT 930, 948 oder 950 verwenden kann. Besitzern dieser hervorragenden Laufwerke steht damit ein Tonarm zur Verfügung, der ihnen die Tür zu einem Quasi-Industriestandard öffnet, während das Bajonett der originalen EMT-Tonarme ja ausschließlich für die Verwendung der EMT-Tondosen geeignet ist. Flankiert werden die beiden Tonarmfamilien von Zubehör, das perfekt auf die Kernprodukte abgestimmt ist, aber auch in Verbindung mit Komponenten anderer Hersteller hervorragende Dienste leistet. Dazu zählen Zargen für Studio-Motoreinheiten, Head­shells und scheinbare Kleinigkeiten wie Tonarmstecker und Systemclips, die aber eine große klangliche Wirkung entfalten können, wenn sie wie hier von kundiger Hand gefertigt werden und auch hinter den kleinsten Details eine Menge Hirnschmalz steckt. Hervorzuheben ist insbesondere die neue Graphitheadshell, die eine Azimutjustage ermöglicht und bei deren Konstruktion dem Thema Energieeinleitung in den Tonarm besondere Bedeutung beigemessen wurde. Wie ich bei der ausgedehnten Hörsession feststellen durfte, auf die ich später noch eingehen werde, stellt diese Headshell eine perfekte Synthese aus nicht zu hoher Masse und extrem hohem Dämpfungsgrad dar. Man merkt Thomas Schicks Produkten an, dass sie nicht aus nüchternem marktstrategischem Kalkül heraus oder gar als Marketinggag entstanden sind, sondern von einem Menschen erdacht wurden, dessen Begeisterung für das Thema analoge Schallplattenwiedergabe in jedem seiner Sätze mitschwingt und der stets Wert auf einen starken Praxisbezug legt. Obwohl fast alle Schick-Designs an solche von Geräten aus den 1960er- und 70er-Jahren, der goldenen Zeit der Analogtechnik, angelehnt sind, hat er sich zudem eine frische und moderne Sicht auf die Dinge bewahrt. Seine Produkte gehen weit über das hinaus, was damals machbar war, und transportieren zugleich eine gute Portion der alten Designkultur ins Hier und Jetzt. Wenn man das, was Schicks Werkstatt verlässt, in eine andere Branche übersetzt, ist es in etwa vergleichbar mit einem Jaguar E-Type Baujahr 2016, der an den richtigen Stellen auf den Stand mo­derns­ter Technik gebracht wurde, aber im Kern ein echter E-Type mit all der Faszination ist, die einem solchen automobilen Klassiker anhaftet.

Ikeda Rebuild in der FR Headshell. Thomas hat auch hier das System komplett vom Gehäuse befreit

Der Hausherr führt mich in seine Metallverarbeitung, die sich in einem Nebengebäude befindet, was allein aufgrund der Geräuschentwicklung diverser Maschinen eine gute Wahl darstellt. Hier findet man alles, was das Herz eines Metallers höherschlagen lässt: Diverse Drehbänke, von denen die größte unter anderen Standortbedingungen die Frage nach der spezifischen Bodenbelastbarkeit aufkommen ließe, Fräsen, Richtlehren und Bohrmaschinen geben sich ein Stelldichein. Faszinierend, wie auf so archaisch anmutenden Monstern durch kundige Hand derart grazile Tonarme entstehen können – wobei in der Endmontage die Werkzeuge natürlich deutlich kleiner werden und in einem der neuesten Betätigungsfelder von Thomas Schick gar mikroskopische Dimensionen annehmen. Gemeint ist hier die Modifikation von Tonabnehmersystemen, die etwas leger auf der Firmenwebsite als „Retip“ bezeichnet wird. Ich betrete einen weiteren Raum, in dem das komplette Kontrastprogramm zur Metallverarbeitung im Nebengebäude herrscht: Auf einem Arbeits­tisch thront ein Binokular-Mikroskop inklusive Auflichteinheit – der Arbeitsplatz für den Bereich Tonabnehmer. Schicks Modifikationen sind allerdings weit von einem klassischen Retipping-Service entfernt. Es geht ihm weniger um die Instandsetzung abgenudelter Systeme als vielmehr um Sonderwünsche und Spezialanfertigungen. Vor meinen Augen agiert der Konstrukteur wie ein Restaurantchef, der seine neuesten Menükreationen serviert: Es ist angerichtet. Da steht mit einem Mal ein komplett vom Gehäuse befreites OEM-Nagaoka-DJ-System auf dem Tisch, das beinahe nicht mehr wiederzuerkennen ist. Der Grund solcher Maßnahmen liegt in einem ganz bewussten Verzicht auf alle Gehäuseteile, die resonieren könnten. Bei dem einfachen MM-System handelt es sich, wie sich später im Hörtest herausstellen soll, um eine Offerte, die qualitativ weit, weit über dem angesiedelt ist, was der Preiszettel suggeriert, und ungemein viel Spaß beim Hören bereitet. Wie sich zeigt, dient diese Nagaoka-Modifikation aber lediglich als Amuse-Gueule, denn als nächstes wandert ein umgebautes Ikeda 9 auf den Tisch. Auch in diesem Fall wurde das System des Originalgehäuses entledigt. In seinem neuen Minimalgehäuse ist es in einer Fidelity-Research-Headshell montiert, und ich muss zugeben, dass mir buchstäblich das Wasser im Munde zusammenläuft. Beim Anblick der fragilen Umbauten frage ich mich, wie Thomas Schick es wohl fertigbringt, während der Arbeit seine Hände unter Kontrolle zu behalten. Durch meinen Kopf schwirren Techniken, wie sie Apnoetaucher anwenden, um ihren Puls und ihre Atmung auf ein Minimum herabzusetzen. In Anbetracht des extrem lebendigen Eindrucks, den der Mann neben mir macht, gehe ich allerdings davon aus, dass er wohl eine andere Methode gefunden hat, solche Arbeiten mit der nötigen Ruhe auszuführen. Das Dessert unseres Menüs besteht dann aus einem echten analogen Hammer – einem Denon-DL-103-Umbau in einem grünen Malachitgehäuse, angesichts dessen unglaublicher Farbgebung Hulk und Green Lantern glatt einpacken können: Das Ding sieht aus wie von einem anderen Stern, und ich kann nur unzureichend den Haben-Wollen-Reflex unterdrücken. Meinem Gastgeber entgeht mein Blick nicht, vermutlich habe ich schon zittrige Hände und Stoßatmung – das Gegenteil dessen, was Schick bei der Herstellung des neu aufgebauten Tonabnehmers gehabt haben dürfte. Dieses System wird dann ausgerechnet am völlig in Schwarz gehaltenen 12"-Arm angebracht, was das Ganze für mich noch begehrenswerter macht. An­schließend wird der Arm auf einem von vier im Schick’schen Hörraum aufgebauten Laufwerken montiert. Der Hausherr hört gerne mit einem perfekt restaurierten Garrard 301 und besitzt außerdem einen EMT 950 im Rundfunk-Einbauwagen. Daneben findet sich ein echter Exot, den nur wirklich Eingeweihte kennen dürften: ein Commonwealth-Studio-Reib­radlaufwerk aus Australien, das selbstredend ebenfalls perfekt restauriert ist und ausschaut, als könnte man es heute noch kaufen. Tatsächlich stellen diese unglaublich guten Maschinen längst vergangener Tage ultrarare und gesuchte Antriebe dar, die der Kenner noch deutlich über einem Garrard 301 ansiedelt. Die beiden als reine Motoreinheiten ausgeführten Studio-Laufwerke Garrard und Commonwealth stecken in eigens konstruierten Zargen. Auch diese Zargen sind in unterschiedlichen Ausführungen bestellbar und bieten eine erstklassige Kombination aus Dämpfung, Masse und Agilität. Thomas Schick verwendet dafür kein Holz wie fast der gesamte Rest der Szene, sondern ein hochverdichtetes Polymer, das sich ebenfalls durch einen äußerst hohen Dämpfungsfaktor bei relativ geringer Masse auszeichnet. Aufgrund seiner Versuche mit verschiedenen Zargenmaterialien, an deren Anfang einst Schiefer stand, ist er kein Freund von extremen Massekonzepten. Seiner Ansicht nach verliert ein Reibradplattenspieler dadurch einen guten Teil seiner Lebendigkeit, die schließlich einer der zentralen Gründe dafür sei, dass man sich ein Gerät mit einem solchen Antriebskonzept ins Hörzimmer stellt.

DL 103 im Malachit Gehäuse am Schick Grafit Headshell, eine wunderbare Kombination!!!

Laufwerk Nummer 4 schließlich führt uns zur Königsdisziplin, der sich Thomas Schick seit einer Weile widmet: Konstruktion und Bau eines eigenen Plattenspielers. Wie schon bei den Tonarmen gab auch hier die schlechte Beschaffungssituation den Anstoß für den Eigenbau. Ich habe ja bereits angedeutet, dass sich ein Commonwealth-Reibradlaufwerk nicht mal eben bei eBay ersteigern lässt – und falls man doch mal eines findet, wird man mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne größere Restaurationsarbeiten nicht einmal in die Nähe einer HiFi-DIN-Norm kommen. Thomas Schick handelt daher auch hier nach dem Motto: „Mach es selbst, wenn es gut werden soll.“ Neugierig betrachte ich den Prototyp des Schick-14"-Reibradlaufwerkes. Wie der Konstrukteur ausführt, bildet das Herzstück des Antriebs eine Motorsonderanfertigung aus Deutschland, die normalerweise in der Medizintechnik zur Anwendung kommt: ein bürstenloser Gleichstrommotor mit hohem Drehmoment, fein gewuchtet und mit großer Laufruhe. Der ungewöhnlich große Tellerdurchmesser von 14 Zoll garantiert eine hohe Trägheit und macht es daher möglich, mit einer relativ geringen energiespeichernden Masse von 4 Kilogramm zu arbeiten. Bei dem großen Reibrad an der Innenseite des Tellers handelt es sich ebenfalls um eine Neukonstruktion, die sich ihrerseits durch eine sehr große Laufruhe bei gleichzeitig hohem Drehmoment auszeichnet. Eingelassen ist das Ganze in eine Zarge aus besagtem Polymerharz, die auf magnetbedämpften Füßen ruht. Auf diese Weise ist die Konstruktion perfekt vom Untergrund entkoppelt. All dies trägt dazu bei, dass der Reibradantrieb die hinlänglich bekannten Vintage-Motoreinheiten in puncto Laufruhe in den Schatten stellt. Leider ist es im Rahmen dieses Beitrags schon allein aus Platzgründen nicht möglich, das System in allen seinen Einzelheiten gebührend zu würdigen. Ich werde mich aber in der image-hifi-Redaktion für eine künftige ausführlichere Beschäftigung mit dem Schick-Laufwerk stark machen, sobald es seinen Prototypstatus abgelegt hat. Doch so viel sei schon mal vorweggenommen: Große Dinge bahnen sich in Liebenthal an, sehr große Dinge – davon zeugt der erste, superbe Eindruck dieser Plattenabspielmaschine!

Sony Studio Systeme auf dem Objektträger des hauseigenen Mikroskops

Das ist der „Kleine“, Schicks 9.6, der ohne Umbau z.B. auf die EMT-Laufwerke passt

Nach so vielen technischen Impressionen steht mir der Sinn nach Musikhören. Thomas legt Bela Lugosi’s Dead von der Gothic-Band Bauhaus (Small Wonder Records, TEENY 2, UK, 1979, 12") auf den Teller des EMT. Im 9,6"-Arm ist ein Lyra Kleos in die hauseigene Graphitheadshell montiert. Ich lausche genüsslich den dunklen Soundwänden dieser fast vergessenen Band. Es handelt sich dabei nicht um eine High-End-Referenz-Platte, wie wir sie von diversen Messen her bis zum Abwinken kennen, sondern um schnöde Stangenware – und gerade deswegen staune ich nicht schlecht, mit welcher Ruhe und Souveränität diese Kombination aufspielt. So ruhig und kontrolliert agiert das Lyra in der Rille, dass tatsächlich der Eindruck entsteht, es handle sich um eine sehr, sehr gute Edelpressung. Der Schick 9 kommt ganz hervorragend mit dem im Hinblick auf den verwendeten Arm nicht ganz unkritischen Kleos zurecht. In der Vergangenheit habe ich schon eine Menge Tonarme erlebt, an denen das Kleos einen allzu technischen und nervösen Eindruck hinterließ. Mit dem Schick 9 entfaltet es ein fein aufgelöstes, sehr edles Klangbild, das sich zudem durch einen wunderbar sehnigen Bass auszeichnet. Der Arm lässt das japanische Hightechsystem vielleicht minimal auf der wärmeren Seite der absoluten Neutralität agieren, was aber gerade den seltenen Zauber dieser Kombination ausmacht. Die immense Darstellungspräzision, über die das Kleos verfügt, wird vom Schick-Arm uneingeschränkt weitergereicht, die Ortungsschärfe ist außerordentlich. Endgültig um haut mich dann der Klang jenes grünen, ultraheißen Denon-DL-103-Umbaus. Auf dem Schick-14"-Laufwerksprototyp im schwarzen 12"-Arm installiert, entfacht das System ein Feuerwerk an Klangfarben. Die typische ganzheitliche Herangehensweise dieses Tonabnehmers wird ergänzt durch eine Detailwiedergabe und Auflösung, die ich einem DL-103 selbst mit derart weitreichenden Modifikationen niemals zugetraut hätte. Alles, was ich an diesem Tag mit Thomas Schicks Produkten bei ihm zu Hause höre, stellt die Musik und ihre Wirkung auf den Zuhörer ganz klar vor das Thema HiFi-Technik: Man hört auf, über Höhen und Bässe, Raum oder Auflösung nachzudenken und taucht ganz selbstverständlich ein in das, was einst in die schwarze Rille geschnitten wurde. Eine solche Wirkung ist nur ganz wenigen High-End-Komponenten in diesem Maße zu eigen und bildet letztlich die Essenz dessen, was ich unter perfekter analoger Schallplattenwiedergabe verstehe.

Neues Firmenlogo, nun mit geografischem Verweis...

Nachdenklich fahre ich zurück nach Berlin. Es ist ganz erstaunlich, wie nahe einen eine Technik an die Musik heranführt, die in ihren Grunddesigns auf Geräte der 60er- und 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückgeht und durch einen Entwickler wie Thomas Schick in einzigartiger Weise behutsam auf den neuesten Stand gebracht wurde. Dabei ist Schick alles andere als ein rückwärtsgewandter Mensch, sondern einer, der die Werte einer längst vergangenen Zeit zu erkennen und interpretieren weiß. Auf diese Weise entwirft er seinerseits Geräte, die zu Klassikern werden, Werkzeuge, die dem Hörer eine Tür zur Musik und nicht nur zu einer kurzfristigen HiFi-Affäre öffnen und ihn dabei vergessen lassen, was gerade trendy ist. Als Folge davon stellt sich bei mir eine selten erlebte Ruhe und Zufriedenheit ein.

Thomas Schick kann auf eine reichhaltige Tonabnehmer-Sammlung zurückgreifen, an denen die Produkte gehört und entwickelt werden – hier ein kleiner Teil der Sammlung

Thomas bei der Justage – beruhigend, dass auch Entwickler gymnastische Übungen bei solcherlei Tätigkeiten ausführen...

Ein schwarz verchromter Messing-Lagerblock wartet auf seinen Einsatz – sowohl lange als auch kurze Rohre für beide Modelle Schick 12 und 9.6 passen. Daneben tummeln sich feinste Drähte für die Tonarminnenverkabelung