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37 Fragen an EveAnna Manley

Text von: Petra Kirsch

Präsidentin der Manley Laboratories Inc., Chino, Kalifornien, USA

Sein und Bewusstsein

Viel Schmus und Schmonzes liest man auf diesen Seiten über lifestylige Komplettanlagen für unbedarfte Opportunisten und sinnliche Vintage-Klänge für halbgare Hedonisten. Ganze Suaden über zeitgemäße Interiordesigner, süße Versuchungen, sensationelle Schwestern. Und wo, liebe Freunde der Röhre, bleiben akademischer Anspruch und Analyse? Wissenschaft und Forschung? Nein, nicht auf der Strecke, denn hier ist sie: die erste Studie aus der Disziplin der Leuchtkolbensoziologie. Folgende Hypothese gilt es zu verifizieren beziehungsweise zu falsifizieren: Das Sein der Röhre bestimmt das Bewusst­sein. Nämlich derjenigen, die daraus namensgleiches HiFi entwickeln. Es liegt nun an Ihnen herauszufinden, ob Röhrenverstärker-Hersteller anders ticken als der Rest der Menschheit. Ob sie zufriedener sind, ein Faible für extravagante Farben haben, keine oder be­sonders weitreichende Fehler machen. Für Ihre empirische Feldforschung haben wir EveAnna Manley und Giovanni Sacchetti befragt, eine Amerikanerin und einen Italiener. Internationales Renommee als Nestor der Leuchtkolbensoziologie dürfte Ihnen also gewiss sein.

Geboren in Las Vegas, hat man ihr Röhren quasi schon in die Wiege gelegt: So gehörte dem Vater von EveAnna Manley die Gitarrenverstärkerfirma Ampeg. Mit 25 gründete die US-Amerikanerin dann im kalifornischen Chino zusammen mit ihrem Mann die Manley Laboratories Inc. Seit 1996 ist die Diplommusikerin als Präsidentin und Sologesellschafterin dort allein für die Geschäfte, neue Ideen und 50 Mitarbeiter zuständig. Daneben fungiert sie als Gastprofessorin an der Stanford University sowie als Beraterin in der Disziplin Audio Technology für die California State University Northridge. Die Verstärker der Harley fahrenden Tube Queen werden von Journalisten gern als „sehr amerikanisch“ apostrophiert: äußerst flexibel („endless choices“), von robustem Charme und voller Power („no tube softness“).

1. Ihre Lieblingsmusik als Zwölfjährige?

Die Frage gefällt mir! Ich habe Schallplatten schon im frühen Alter von drei bis vier ­Jahren mit dem Garrard-Plattenspieler und dem Fi­sher 500-C Receiver meiner Eltern gehört. In den 70er Jahren war ich bereits ein Kind der Radio-Hitparaden. Ich kann mich nicht wirklich an „Oldie“-Sendungen erinnern oder, ob es die überhaupt gab. 1980, im Alter von zwölf Jahren, kam die Disco-Musik stärker auf, und ich begann, mich rückwärts zu orientieren, auf die Musik der 60er Jahre. Ende der 60er Jahre hatte mein Vater viele seiner Platten abgelegt, die ich dann 1980 wieder ausgrub. Die Sammlung enthielt ca. 200 LPs und einen Haufen 45er aus den späten 60er Jahren; viele waren Geschenke der Musiker (mein Vater war damals in der Musikindustrie tätig). Mit zwölf begann ich also diese Musik für mich zu entdecken. Beatles, Stones, Cream, CCR, psychedelic San Francisco Music wie Jefferson Airplane etc. Das hörte ich also mit zwölf Jahren. Meinen Freunden kam ich damit fremd vor … Wahrscheinlich sehen sie mich noch immer so.

2. Und jetzt?

Meine Liebe zur Musik der 60er habe ich mir erhalten, und eine starke Vorliebe für die Pop-Melodien der frühen 70er entwickelt, gerade auch für kurzlebige Hits. Vieles, was ich höre, ist nostalgisch geprägt, wie Musik überhaupt die Fähigkeit hat, mich durch die ihr eigene Assoziationskraft an bestimmte Orte zurückzuversetzen. Wenn ich z.B. ­Steely Dan’s Song „Reelin’ In The Years“ höre, dann erinnert mich dies an den Besuch meiner Tante Barbie in Miami, meinem damaligen Wohnort, und ich höre, wie sie das Lied aus dem Radio mitsang – eine mir sehr liebe Erinnerung. Außerdem höre ich viel brasilianische Musik der frühen 70er; Tropicalismo. Und warum ich andere Musikrichtungen meide, hat wiederum mit der Assoziierung zu tun, diesmal negativ. So ist es bedauerlich, dass große Teile der klassischen Musik mich heute an schlechte Ereignisse in meinem Leben erinnert. Das sollte ich irgendwann überwinden, aber warum sollte ich mir diese emotionale Qual heute antun? Ist schon verrückt, oder?

3. Welchen Musiker möchten Sie gern persönlich kennen lernen?

Durch das Geschäft mit Studio-Geräten komme ich mit vielen bekannten (und we­niger bekannten) Musikern in Berührung. Aber einer, dem ich noch nicht begegnet bin, ist Neil Diamond. Ich bin gut bekannt mit seinem Aufnahmeingenieur, aber Neil habe ich noch nicht getroffen. Das möchte ich nachholen.

4. Ihr Lieblingskomponist?

Ich werde die gleiche Antwort geben wie Jahre zurück im Gespräch mit Rick Rubin auf der CES, als das Gespräch sich um die Frage „Wer ist Dein bevorzugter Singer-Song­writer?“ drehte. Für Rick war es John Lennon und wir sprachen eine Weile über ihn. Rick Rosen, ein anderer in der Runde, meinte, für ihn sei es Neil Young. Und auch über ihn unterhielten wir uns. Ich schlug Neil Diamond vor, dem wir Anerkennung schuldeten. Seht euch die große Zahl seiner Werke an! Über Jahrzehnte! Später erfuhr ich, dass Michael Fremer einen Monat vorher eine ähnliche Diskussion mit Rick Rubin geführt hatte. Es mag also kein Zufall sein, dass wir damit Rick dazu gebracht haben, sich intensiver mit Neil Diamond zu befassen und das tolle Album herauszubringen, die Aufnahme der 12 Songs.

5. Das schönste Geräusch, das Sie je gehört haben?

Ich zögere zwischen dem Sound der Auspuffröhren meiner Harley-Davidson FXLR und dem ersten Anspringen meines 1969er VW Beetle nach 10 Jahren der Restaurierung …

6. Ihre Lieblingsfarbe?

#3E048D ________ ist schön. Das ist C: 97, M: 100, Y: 7, K: 4

7. Ihr Lieblingsmaler?

Ich selbst bin nicht ganz unbegabt, aber die Ehre gebührt Paul Klee oder van Gogh …

8. Ihr Lieblingsschriftsteller?

James Clavell. Ich wünschte, es gäbe mehr dieser historischen Romane.

9. Ihre Lieblingsbeschäftigung?

Wenn ich nicht den ganzen Tag lang zu schreiben und das Unternehmen zu lenken hätte, würde ich liebend gerne wieder In­ge­nieur in der Qualitätskontrolle und verantwortlich für den Bau der Prototypen sein. Fehler eliminieren. Mein Leben war angenehmer dabei, und ich war verdammt gut in diesem Metier.

10. Ihr erstes HiFi-Gerät?

Wie schon früher erwähnt: der Garrard-Plattenspieler, der Fisher 500-C und die AR-2ax-Lautsprecher meiner Eltern.

11. Waren Sie damit zufrieden?

Klar! Bis bei einem Umzug der Fisher 500-C auf die Zehen meiner Mutter fiel, was zum Bruch der Zehen und des Receivers führte.

12. Und Ihr erstes, das Sie sich vom selbst verdienten Geld gekauft haben?

Das war in meiner High-School-Zeit. Und das erste Mid-Fi-System, das ich mit dem ersten selbst verdienten Geld über den Versandhandel (eine Schande!) kaufte, war ein Kenwood-Receiver, ein Akai-Tapedeck und ein Technics-Plattenspieler. Hinzu kamen ein oder zwei Jahre später ein JVC-CD-Spieler. Ich benutzte weiterhin die AR-Lautsprecher meiner Mutter.

13. Platte oder CD?

Beide! Global gesehen macht mir die Auswirkung des Musikraubs für unsere Industrie Angst. Und die mit geringer Auflösung im Computer gespeicherte Musik wird der Übertragungs-Standard der Zukunft sein, eine ganz erhebliche Verschlechterung gegenüber CD und LP. Und wie wir wissen, geschieht es bereits. Qualität leidet wiederum darunter. Eine Schande.

14. Die wichtigste Komponente in der highfidelen Kette?

Alles? Eine schlechte Lötverbindung kann die ganze Kette abstürzen lassen.

Nichts? Warum nicht die Musik selbst? Bei den Geräten ist nach meiner Meinung die Einheit Verstärker und Lautsprecher die wichtigste. Neben der erforderlichen Verstärkerleistung sollte der Lautsprecher eine Verstärkerfreundliche und sensible Last-Impedanz aufweisen, wichtig besonders für Röhrenverstärker. Und damit befasse ich mich, offensichtlich.

15. Und auf welche können Sie am ehesten verzichten?

Auf irgendwelche Kabel … Kämen Sie in mein Haus und wechselten einige Kabel, ich würde es nicht gleich bemerken …

16. Welchen highfidelen Traum möchten Sie sich unbedingt noch erfüllen?

Dass wir eine Neuentwicklung so schnell herausbringen können wie vor zehn Jahren, als alles einfacher war.

17. Welche highfidele Erfindung bewundern Sie am meisten?

Den iPod. Aber die Röhre folgt gleich dahinter.

18. Und welche ist am überflüssigsten?

Ein herkömmlicher Vorverstärker mit einer zu großen Verstärkung, während doch alle Quellen eine sehr große Ausgangsspannung aufweisen. Was wir brauchen, ist die Eingangswahl und der Lautstärkeregler sowie ein guter Treiber, der die Verbindung zum Verstärker unterstützt. Wer benötigt zusätzliche Verstärkung, wenn unsere CD-Spieler schon fünf Volt am Ausgang liefern. Sie reduzieren doch nur die Signalstärke auf dem Weg zum Endverstärker mit einer Empfindlichkeit von einem Volt.

19. Was halten Sie von Low Fidelity?

Ich kann Musik auch mit dem schlechtesten Autoradio dieser Welt hören, das sich wahrscheinlich in meinem 74er Alfa Spider befindet. Für mich kommt es letztendlich auf die Musik an.

20. Ihre Definition von High End?

Wenn man einen Haufen Geld ausgeben muss, um die letzten zehn Prozent an Musikalität und Leistung aus einer Anlage herauszukitzeln. Dies ist nur in einer logarithmischen Relation möglich.

21. Wer ist für Sie der klügste Mensch der Welt?

Oh Gott, wenn ich das nur wüsste. Ich bin aber auch noch nicht allen Menschen begegnet.

22. Welchem Politiker trauen Sie?

Nicht meinem Präsidenten (G.W. Bush), aber ich schätze meinen Gouverneur in Kalifornien, Arnold Schwarzenegger.

23. Ihre Lebensphilosophie?

Arbeite hart. Bleibe ehrlich. Kaufe nicht auf Kredit, was du dir nicht leisten kannst. Schätze deine Freunde.

24. Was treibt Sie zur Verzweiflung?

Dass ich keine Chance sehe, mich von der Tastatur meines Computers zu lösen. Ich bin den ganzen Tag über am Schreiben.

25. Was ist für Sie noch wichtiger als HiFi?

Fast alles ist wichtiger als HiFi …

26. Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?

Mit meinem Hund Max zu „kuscheln“. Dies ist Beweis einer bedingungslosen Liebe.

27. Ihre Lieblingstugend?

Ehrlichkeit.

28. Welchen Fehler entschuldigen Sie am ehes­ten?

Jeden Fehler, bei dem es nicht auf die Suche des Schuldigen ankommt, sondern auf die Lösung des Problems. Wir sind alle nur Menschen und wir alle machen Fehler.

29. Ihr Hauptcharakterzug?

Führungsbereitschaft.

30. Ihr größter Fehler?

Dass kleinste Dinge mich in Beschlag nehmen, wenn wichtigere Fragen und größere Projekte meine Aufmerksamkeit verlangen.

31. Was loben Ihre Freunde an Ihnen?

Meine Großzügigkeit wahrscheinlich. Denn meistens zahle ich das Essen …

32. Was sagen Ihnen Ihre Gegner nach?

Ich glaube nicht, dass ich viele Gegner in der Gerätebranche habe. Und falls doch, dann ist dieser Umstand eher auf deren Unsicherheit zurückzuführen, die sie neidisch macht, als auf mich. Deswegen lässt es mich auch kalt. Ich wende mich lieber den vielen Freunden in dieser Branche zu und halte gute Beziehungen mit den Kollegen meines Schlages. Ich verschwende meine Zeit nicht mit denen, die in unserer Tätigkeit einen Wettkampf unter Gegnern sehen.

33. Ihr größter Erfolg?

Ich denke, dass ich den gerade erlebe.

34. Ihre weitreichendste Fehlentscheidung?

Bis jetzt habe ich noch niemand umgebracht; so kann ich sagen, dass meine Fehler mich nicht umgeworfen haben. Was immer geschieht, geschieht innerhalb Gottes Plan. Bei falschen Entscheidungen versuche ich, schnell wieder auf die Beine zu kommen und daraus zu lernen. Ich konzentriere mich auf Lösungen, nicht auf Probleme.

35. Wie schätzen Sie Ihren Anteil an der HiFi-Geschichte ein?

Andere sehen mich wahrscheinlich als eine der wenigen Frauen, die sich erfolgreich in einer technischen Männer-Domäne be­hauptet haben. Mir wäre es lieber, wenn ich als hart arbeitende, ehrliche Person in Erinnerung bliebe, als eine gute Vorgesetzte, die ein erfolgreiches und interessantes Unternehmen aus dem Chaos heraus aufgebaut hat. Außerdem ist die gegenseitige „Befruchtung“ unserer beiden Sparten HiFi- und Profi-Geräte interessant und einzigartig.

36. Worin liegt die Einzigartigkeit von Röhrengeräten?

Gute Röhrengeräte sind echt und natürlich. Organisch. Für mich verbinden sie Musik mit meiner Seele, in einer Art, die nicht mess­bar ist. Wenn mein Fuß mitschwingt und ich mitsingen möchte, dann ist es richtig.

37. Bitte vervollständigen Sie den Satz „Röhren-HiFi …“

… soll Genuss bringen und Spaß machen. Wir alle sollten den Verkaufshype und den viel zu teuren und besessenen Fokus auf unwichtige Details hinter uns lassen und zurückfinden zum Genuss der Musik, die wir lieben. Mit Röhren natürlich.